Der Deal der Geheimagenten

Ein Frankfurter Luxus-Hotel als Schauplatz eines hochkriminellen Deals: Hier verkaufte ein ehemaliger Schweizer Bank-Mitarbeiter für mehr als 100.000 Euro die Kontodaten von tausenden Privatleuten, darunter auch die Finanzunterlagen des früheren Präsidenten des deutschen Geheimdienstes BND. Inzwischen beschäftigt der Fall die Staatsanwaltschaft. Unterlagen, die dieser Zeitung vorliegen, beweisen nicht nur, dass mit vertraulichen Bankdaten offenbar ein schwunghafter Handel betrieben wird. Sie geben zugleich Einblick in die Dunkelwelt privater Geheimagenten, die am Rande der Legalität operieren – vermutlich auch im Dienste großer Geldhäuser.

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Unter falschem Verdacht

Neues Kapitel in der Affäre um einen Kronzeugen des LKA Hessen: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen einen Kriminalbeamten, der dieser Zeitung geheime Infos zugespielt haben soll. Das Telefon des Mannes wurde abgehört, er wurde vom Dienst suspendiert, er musste seine Waffe abgeben, er bekam Hausverbot. Es handelt sich um einen Justizirrtum; der Behörde droht jetzt eine teure Schadenersatzklage.

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Serie, Teil 4: Der letzte Trumpf des LKA

Er hat mit den Beamten des LKA Hessen zusammengearbeitet, hat sie (…) mit Infos versorgt und als Kronzeuge bei der Vorbereitung der Vereinsverbote gegen die Hells Angels unterstützt. Er hat dafür Geld bekommen, viel Geld – mit Dankbarkeit durfte er da wohl nicht mehr rechnen. Am Ende schoben sie ihn nach Israel ab, mit einem ganz billigen Trick.

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Serie, Teil 3: Schlamperei im Amt

Daniell M.-D., der (…) Kronzeuge der hessischen Polizei gegen die Hells Angels, erzählte bisher vor allem über seine Erfahrungen mit dem hessischen Landeskriminalamt. Aber er erhebt auch schwere Vorwurfe gegen die Zeugenschützer aus Mainz: Sie würden durch Nachlässigkeit Zeugen unnötig in zusätzliche Gefahr bringen.

Frankfurt/Mainz. Zeugenschutz ist eine hochsensible Angelegenheit. Menschen, die in Gefahr sind, weil sie zum Beispiel als Zeuge gegen Schwerkriminelle aussagen, wird teilweise sehr weitreichender Schutz geboten. Rechtliche Grundlage dafür ist das Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetz; für die praktische Umsetzung sorgen speziell geschulte Beamte: Sie betreuen die Zeugen rund um die Uhr, verhelfen ihnen bei Bedarf zu einer neuen Identität, besorgen ihnen eine Wohnung, einen neuen Job…

Auch die Zeugenschützer selbst geben sich Tarnnamen – zu ihrem eigenen Schutz, aber vor allem soll das den Zeugen mehr Sicherheit bieten.

Grundsätzlich gilt: Je mehr Details über die Arbeit der Zeugenschützer bekannt werden, desto gefährlicher ist es für die Zeugen.

Soweit die Theorie.

Daniell M.-D., der Kronzeuge der hessischen Polizei gegen die Hells Angels, wurde vom Zeugenschutzdezernat Mainz betreut. Die Abteilung gehört zum LKA Rheinland-Pfalz, sie untersteht Erwin Owtscharenko. Der Kronzeuge aus Hessen erhebt heute schwere Vorwürfe gegen das Dezernat: Die Beamten hätten elementare Regeln der Geheimhaltung missachtet, sie würden damit Zeugen unmittelbar gefährden. Dass sie Dienstwagen für Privatfahrten einsetzten, dass sie am liebsten mittags zu ihm kamen, um die eigene Bewirtung dienstlich absetzen zu können, das sind da nur noch Randnotizen.

Daniell M.-D. sagt, er habe binnen weniger Wochen die Klarnamen mehrerer Zeugenschützer erfahren. „Die haben einfach nicht aufgepasst.“ Schlampige Arbeitsweise hätte vertrauliche Informationen offen zugänglich gemacht.

Da ist zum Beispiel „Melanie Maus“. Das ist ihr Tarnname. Die Polizeibeamtin habe regelmäßig Dienstwagen für Privatfahrten genutzt, sagt Daniell M.-D., und eines Tages, als sie ihn zu einer Vernehmung nach Wiesbaden brachte, erzählte sie, sie sei gerade beim Röntgen gewesen, habe die Aufnahmen hinten im Auto.

Auf der Rückfahrt habe er seine Jacke in den Kofferraum gelegt, dabei die Arztdokumente gesehen: Natürlich stand ihr echter Name darauf. Melanie heißt sie wirklich mit Vornamen, ihren Nachnamen wollen wir hier nicht verraten. Melanie sollte nur wissen: Sie ist enttarnt. Nach der Logik des Zeugenschutzes ist jetzt nicht nur sie selbst gefährdet. In Gefahr sind auch und vor allem die von ihr betreuten Zeugen.

Und dann erzählt Daniell M.-D. eine Geschichte, die so unglaublich klingt, dass kaum denkbar ist, dass er sie ausgedacht haben könnte:

Während seines Irland-Aufenthalts sei er zu einer Vernehmung eingeflogen worden. Am Flughafen Frankfurt-Hahn habe, wie abgesprochen, ein Leihwagen für ihn bereitgestanden. Auf der Fahrt zu seiner Wohnung in Bad Kreuznach habe in dem Auto plötzlich ein Handy geklingelt. „Es lag zwischen den Sitzen. Offenbar hatte es jemand vergessen.“ Er sah nach: Es war das Handy von Chefzeugenschützer Owtscharenko.

Daniell M.-D. weiter: „Da waren alle Daten drin: Adressen und Telefonnummern von Zeugenschützern, von Polizeibeamten – und auch von gefährdeten Zeugen.“ Er habe sich die Daten kopiert, „sicherheitshalber“, sagt er, man wisse ja nie, wozu man die brauchen könne. Dann habe er Owtscharenko angerufen. Der sei sofort gekommen, habe sich das Telefon abgeholt.

Erwin Owtscharenko nennt sich im Dienst – auch das ist jetzt kein Geheimnis mehr – „Wilhelm Baumann“ oder „Ferdinand Berger“. Unter diesen Tarnnamen, sagt Daniell M.-D., habe ihm der Chefzeugenschützer regelmäßig Geld überwiesen. Die Namen hätten auf den Bankbelegen gestanden.

Im übrigen sei seine Post – wie auch die des ganzen Dezernates – unter den Namen „Baumann“ und „Berger“ abgewickelt worden. Dafür habe das Dezernat geheime Brief kästen eingerichtet – unter der Adresse, auf der auch seine Tarnpersonalien angemeldet wurden.

Eine Überprüfung dieser Angaben ergab: Daniell M.-D. sagt die Wahrheit. Dokumente, die dieser Zeitung vorliegen, verraten die Namen der Zeugenschützer. Und wir finden auch, im Mehrfamilienhaus an der Sophie-Cahn-Straße 3 in Mainz, die geheimen Briefkästen der Zeugenschützer. Einer ist mit „Wilhelm Baumann“ ausgeschildert, der benachbarte mit „Ferdinand Berger“. Dabei leben diese Herrschaften offensichtlich nicht in dem Haus. Wer genauer hinschaut, sieht sofort: Die Namen Baumann und Berger fehlen auf den Klingelschildern. Das wurde von den Zeugenschützern wohl vergessen…

Dagmar Meyer, Sprecherin des LKA Mainz, versuchte gestern, die Aussagen des Kronzeugen herunterzuspielen. Es sei bekannt, dass sich die Zeugenschützerin „Melanie“ selbst enttarnt habe, das sei „Anlass für eine interne Nachbereitung“ gewesen. Eine Gefährdung für die Beamtin werde nicht gesehen, auch nicht für andere Schutzpersonen.

Die Sache mit dem verlorenen Handy war offenbar noch nicht bekannt. Alle Handys seien PIN-gesichert, sagt Meyer. Hätte ein Zeuge darauf Zugriff, „würde das keine Sicherheitslücken nach sich ziehen“. Es sei auch „nicht erinnerlich“, dass ein Handy längere Zeit in den Händen des Zeugen gewesen sei.

Und die Sache mit den Tarnnamen von Erwin Owtscharenko: „Diese Namen erschienen natürlich auf dem Kontoauszug des Empfängers.“ Sie würden selbstverständlich nicht weiter benutzt.

Erschienen in der FNP am 07.02.2013

Die Kripo sucht das Leck

Aufregung bei der Polizei: Gleich drei Behörden nahmen gestern Stellung zu den Berichten dieser Zeitung über den Kronzeugen der Polizei gegen die Hells Angels. Zumindest inhaltlich gab‘s kaum was zu mäkeln.

Wiesbaden/Mainz/Frankfurt. Die Situation ist nun doch ein wenig verworren: Da bittet im Mai 2010, das Schreiben liegt dieser Zeitung vor, die hessische LKA-Präsidentin Sabine Thurau ihren Kollegen in Rheinland-Pfalz, den Kronzeugen gegen die Hells Angels in das Zeugenschutzprogramm aufzunehmen. Daniell M.-D. wird daraufhin in eine neue Wohnung in Bad Kreuznach einquartiert. Er bekommt, wie es das Zeugenschutzgesetz vorsieht, einen neuen Namen („Daniel Messer“), dazu passende Papiere, er wird unter neuem Namen bei der Führerscheinstelle, beim Arbeitsamt und bei der AOK angemeldet, er wird von Mainzer Zeugenschützern betreut…

…und jetzt kommen die Behörden plötzlich an und sagen: Nein, nein! Der Mann war gar nicht im Zeugenschutzprogramm! Das hat der Staatsanwalt ja gar nicht genehmigt! Daniell M.-D. war nur ein „gefährdeter Zeuge“!
So steht‘s, sinngemäß, in den Presseerklärungen, die gestern die Landeskriminalämter in Mainz und Wiesbaden verschickten. Wortklauberei? Oder klare Rechtslage? Frage an den Juristen Dr. Ulrich Endres, einen der profiliertesten Strafverteidiger der Region: Was ist von dieser Darstellung zu halten?
„Wenn der Staatsanwalt einer Aufnahme in das Zeugenschutzprogramm nicht zustimmt, gibt es kein Zeugenschutzprogramm. Punkt.“ Dann aber dürfe die Polizei natürlich auch nicht hingehen und exakt all die Maßnahmen umsetzen, die ausdrücklich fürs Zeugenschutzprogramm vorgesehen seien.„Was mit diesem Zeugen gemacht wurde“, sagt Endres, „hat mit unseren Gesetzen rein gar nichts mehr zu tun.“ Der Anwalt spricht von „streng rechtswidrigem Verhalten“ der Polizei; die Landeskriminalämter hätten „gegen jede Strafprozessordnung agiert“.
 
Damit nehmen die Geschichten um den Kronzeugen inzwischen gespenstische Züge an. Diese Zeitung hatte enthüllt, dass Daniell M.-D. mit Geld, mit Leihwagen und mit Irland-Urlaub „gepampert“ wurde: Er sollte bei Laune gehalten werden, sollte weiter gegen die Hells Angels aussagen. Dass eine Kriminalpsychologin den Mann als unglaubwürdig eingestuft hatte, störte die ermittelnden Beamten in Wiesbaden offenbar nicht. Sie wollten den Erfolg gegen die Rocker, sie wollten ihn um jeden Preis.
Seit Ende letzter Woche liegen Hessens Innenministerium Fragen dieser Zeitung zu der Polizeiaffäre vor. Sie wurden bis heute nicht beantwortet. Erst gestern Nachmittag kam eine dürftige Mail: Der Landespolizeipräsident sei beauftragt, den Vorgang „lückenlos“ aufzuklären. Alle beteiligten Polizeibeamten „müssen dazu Erklärungen abgeben“. Die Staatsanwaltschaft möge prüfen, „inwieweit sie Handlungsbedarf sehe“. Und dann noch dieser Satz: „Die verantwortliche Behördenleiterin“ habe sich „unaufgefordert zu den Vorgängen eingelassen“.
Gemeint ist Sabine Thurau. Auf den Fluren der Behörde wisperte man gestern, Thurau habe umgehend jede Verantwortung für den Umgang mit dem Kronzeugen von sich gewiesen. Was in den letzten Jahren beim LKA passiert sei, dafür könne sie nicht verantwortlich gemacht werden.
Das Landeskriminalamt Mainz reagierte wesentlich ausführlicher: In einer dreiseitigen Erklärung bestätigte man die Berichterstattung dieser Zeitung weitgehend. Lediglich einige Details wurden korrigiert: So sei z. B. die „Tarnidentität“ von Daniell M.-D. nicht auf Dauer angelegt gewesen. Auch habe der Mann keine Luxusautos zur Verfügung gestellt bekommen, sondern „kleinere Fahrzeuge, z.B. einen Renault Scenic und einen Audi A3“.Fettgedruckt findet sich in dieser LKA-Erklärung ein Satz, der vermuten lässt, dass man in Mainz auf die hessischen Kollegen nicht mehr so gut zu sprechen ist. „Mit den eigentlichen Ermittlungen“, betonen die Mainzer ausdrücklich, seien sie „zu keiner Zeit“ befasst gewesen. Also waren‘s die Hessen…
Dazu passt, was die „Allgemeine Zeitung“ in Mainz gestern berichtete: „Gut informierte Kreise“ seien überzeugt, dass der Zeuge den Rheinland-Pfälzern von den Hessen „untergejubelt“ worden sei.
Spätestens jetzt konnte auch das LKA Hessen nicht mehr schweigen. Gestern Abend, nach 20 Uhr, wurde eine zweiseitige Presseerklärung verschickt. Auch darin wird die Darstellung in den Berichten dieser Zeitung weitestgehend bestätigt. Ansonsten geht‘s jetzt offenbar nicht in erster Linie darum, möglicherweise gesetzwidriges Verhalten einer Polizeibehörde aufzuarbeiten. O-Ton LKA Hessen: „Die Darstellungen der letzten Tage in der Frankfurter Neuen Presse sind für das Hessische Landeskriminalamt Anlass zu umfangreichen internen Ermittlungen.“
Klarer Fall: Das innerbehördliche Leck, das stört, das muss gefunden und dicht gemacht werden. Da der Verdacht des Verrats von Dienstgeheimnissen begründet sei, so heißt es in der Pressemitteilung, „wurde eine Strafanzeige gestellt“.
Erschienen in der FNP am 30.01.2013