Wir schauen heute nach Worms, in die zweitgrößte Stadt Rheinhessens: Dort sind, mit dem Segen der obersten Stadtführung, ganz merkwürdige Immobilien-Geschäfte abgelaufen. Der CDU-Fraktionschef erwarb ein Grundstück und verkaufte es für sehr viel mehr Geld an ein Unternehmen, in dem der SPD-Oberbürgermeister den Aufsichtsrat anführt. Das Unternehmen aber weiß mit dem Grundstück gar nichts anzufangen und wollte es teuer weiterverkaufen – an einen städtischen Betrieb. Da stoppte ein Gutachten den Deal: Die Immobilie ist offenbar völlig überteuert! Was geht da ab?
Bislang wurden Details unter der Decke gehalten, jetzt kommen sie erstmals auf den Tisch: Die Stadtführung erweist sich als dichtes Gestrüpp, hinter dem Politiker undurchsichtige Geschäfte machen – auf Kosten des Steuerzahlers.
Worms ist zuplakatiert: SPD-Kissel gegen CDU-Kessel.
Nächsten Sonntag wählt die Stadt einen neuen Oberbürgermeister. Amtsinhaber Michael Kissel (SPD), ein populärer Polit-Haudegen, tritt zum dritten Mal an: Der 63-Jährige, so ist zu hören, soll über seine Kandidatur ganz allein entschieden haben, seine Genossen durften allerdings zustimmen
Die CDU schickt ihren Landtagsabgeordneten Adolf Kessel ins Rennen, der in dieser Woche 61 Jahre alt wird und den man mit der Vokabel „blass“ ziemlich farbenfroh beschreiben würde. Der Mann, notierte das Stadtmagazin „WO!“ mit beißendem Spott, falle allenfalls dadurch auf, dass er nicht auffalle.
Das ist Wahlkampf in Worms: Kessel gegen Kissel – in der Stadt wird herzhaft gelacht über die Namensgleichheit der ungleichen Kandidaten. Das Rennen um den Chefsessel im Rathaus, heißt es allenthalben, sei doch längst gelaufen.
Wie anders war das doch im letzten OB-Wahlkampf! Damals, es war im Jahr 2011, sah sich Amtsinhaber Kissel einem Kandidaten gegenüber, der ihm ernsthaft gefährlich zu werden drohte. Tatsächlich holte Klaus Karlin in der Stichwahl satte 47 Prozent, „das beste Ergebnis, das ein CDU-Kandidat in Worms bei einer Oberbürgermeisterwahl jemals eingefahren hat“, jubelte der damalige CDU-Kreisvorsitzende Hans-Joachim Kosubek (67). Bei der Wahlparty umarmte er den Beinahe-Gewinner und rief ekstatisch aus: „Wir sind stolz auf dich!“ Ob das heute auch noch gilt?
Dieser Klaus Karlin, ein Vater von sechs Kindern und Rechtsanwalt ohne besondere Spezifikation (laut Homepage kümmert er sich schwerpunktmäßig um Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht, Mietrecht und Erbrecht, also irgendwie um alles), ist heute 54 Jahre alt. Als Chef der CDU-Fraktion im Wormser Stadtrat gilt er als einer der wichtigsten Vertreter seiner Partei in der 86.000-Einwohner-Stadt. Gleichwohl trat er, was Beobachter der lokalen Politik sehr überraschte, bei der anstehenden OB-Wahl nicht wieder als Kandidat an. Und als der Wahlkampf kürzlich in die spannende Schlussphase ging, setzte er sich einfach ab in den Urlaub. Das ist ungewöhnlich für eine CDU-Spitzenkraft: So verhält sich eigentlich nur einer, der seinen Parteifreund nicht unterstützen will – oder dessem Gegenkandidaten das Feld überlassen möchte.
Stadtspitze taktiert in schwer nachvollziehbaren Winkelzügen
Jetzt wurden auch noch Details zu Grundstücks-Transaktionen bekannt, an denen Klaus Karlin wie auch die Stadtführung unmittelbar beteiligt waren. Es geht um den früheren Schlachthof, einem Gelände in ziemlich guter Lage, unweit vom Zentrum gelegen, ganz nahe am Rhein. Auf dem Grundstück steht die alte Markthalle, deren gewaltige Ausmaße von einstiger wirtschaftlicher Bedeutung künden, die aber heute, nach Jahren des tristen Leerstands und ungehinderten Zerfalls, nur noch den morbiden Charme einer verlassenen Industrieruine ausstrahlt.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende konnte das Objekt über eine neu gegründete Firma für einen sehr guten Preis erwerben; später konnte er sie sehr teuer an ein Unternehmen weiterverkaufen, an dem die Stadt zu 50 Prozent beteiligt ist und an dessen Spitze der Oberbürgermeister steht. Einzelheiten dieser Immobilienschieberei wurden bisher streng unter Verschluss gehalten. Erst jetzt kommen alle Fakten auf den Tisch, auch, weil einige Lokalpolitiker bislang unbekannte und vertrauliche Dokumente aufzudecken bereit waren. Ihre Informationen lassen bei den Menschen in Worms Fragen dahingehend aufkommen, dass einige Hauptakteure der Lokalpolitik nicht allein im Bemühen um das Gemeinwohl handeln und sich dabei offensichtlich auch leiten lassen von schnöden Eigennutz.
Für Schlachthof-Ankauf gründete CDU-Chef eine neue Firma
Es war im Jahr 2012, also ein Jahr nach seiner knappen Wahlschlappe. Da gründete Klaus Karlin eine neue Firma, die nach ihren Gesellschaftern mit „KB Immobilien GmbH“ benannt wurde: Dem CDU-Politiker stand der umtriebige Unternehmer Murat Basaran (48) zur Seite, der seine „Iso Basaran GmbH“ im Internet „als führendes Unternehmen in Deutschland in den Bereichen Dämmtechnik und Brandschutz“ anpreist.
Als Adresse für die neue Immobilien-GmbH wurde die Anwaltskanzlei von Karlin in der Rathenaustraße in Worms angegeben. Kurz nach der Eintragung beim Mainzer Amtsgericht (HRB 44315) erwarb die GmbH den ehemaligen Wormser Schlachthof. Das riesige Objekt stand weitgehend leer. Diverse Schlachthof-Firmen waren zuvor pleite gegangen, Insolvenz- und Zwangsverwalter waren angerückt. Ein Sachverständiger hatte den Wert der Immobilie auf knapp 800.000 Euro taxiert, ein Insolvenzverwalter soll sogar 1,5 Millionen Euro aufgerufen haben. Bei Zwangsversteigerungen wurden 200.000 Euro geboten, was für den Hauptgläubiger, die Sparkasse, völlig inakzeptabel war.
Viel Geld investiert – aber offenbar keinen klaren Plan
Karlin/Basaran ließen ernsthafte Pläne zur Bebauung und Nutzung des Areals, sollte es sie überhaupt gegeben haben, auch nach dem Kauf nicht erkennen. Umso eifriger fütterte der CDU-Politiker die lokale Presse mit seinen „Gedankenspielen“: Er wolle Handwerker und Dienstleister ansiedeln, erzählte er. Oder Autohändler. Oder eine Markthalle einrichten. Oder ein Hotel. Oder irgendetwas mit Booten machen.
Später tat er kund: Er könne sich vorstellen, Senioren-Wohnungen auf dem Schlachthof-Grundstück zu bauen, und die Markthalle könne man gastronomisch nutzen. Es klang nach: Vielleicht. Eventuell. Oder nicht? Oder doch?
Das Gespann Karlin/Basaran, so hat es im Rückblick den Anschein, hatte viel Geld investiert, ohne sich zuvor tiefere Gedanken über eine konkrete Nutzung von Grundstück und Bauruine gemacht zu haben. Das ist etwas ungewöhnlich bei einem derartigen Investment, selbst wenn man berücksichtigt, dass Karlin kaum Erfahrungen als Projektentwickler vorweisen kann. Sein unternehmerisches Engagement, sieht man von seinem Anwaltsbüro ab, erscheint überschaubar:
2008 wurde in Worms eine Firma namens „KWL Zahlungsmanagement GmbH (AG Mainz, HRB 41619) gegründet. Adresse: Karlins Anwaltsbüro in der Rathenaustrasse. Das „K“ im Firmennamen dürfte für Karlin stehen, das „W“ für die damalige alleinige Gesellschafterin Nicole Weintz und das „L“ für die Prokuristin Nicole Leobner.
Hinter dem seriös klingenden Firmennamen versteckt sich ein Inkassobüro, das mit dem Brutalo-Slogan „Wir bringen Ihre Schuldner ins Schwitzen“ noch heute um Aufmerksamkeit und Kundschaft buhlt. Der CDU-Politiker übernahm anfangs die Geschäftsführung, stieg später mit einer 12.500-Euro-Einlage als Gesellschafter ein. Mitgesellschafterin Nicole Weintz heißt heute übrigens Nicole Gundersdorff und wird auf Karlins Homepage als seine Sekretariatsleiterin vorgestellt.
Über Geld will Klaus Karlin bis heute nicht reden
2012 gab Karlin die operative Leitung der Geldeintreiber-Firma ab (Frau Gundersdorff übernahm): Er bereitete sich – neben seinem Job als Rechtsanwalt und seinem Polit-Engagement in der CDU – wohl auf sein Wirken als Investor und Projektentwickler vor. Doch mit dem Schlachthof-Projekt ging es nicht so richtig voran:
Die von ihm zuletzt favorisierten Wohnungen wurde abgelehnt: Wohnbebauung mitten in einem Gewerbegebiet erschien den meisten Kommunalpolitikern nicht passend. Der CDU-Fraktionschef im Stadtrat drohte daraufhin öffentlich, er werde seine Investoren-Interessen auf dem Klageweg durchzusetzen: „Wir sind sicher, dass wir das gewinnen werden“, verkündete er markig via Zeitung.
Der alte Schlachthof verfiel derweil zusehends.
Heute zeigt sich der CDU-Fraktionschef über diese Periode seines unternehmerischen Schaffens nicht sonderlich auskunftsfreudig. Er teilt mit, es habe seinerzeit „absolute Transparenz“ gegeben, „da über den Erwerb ausführlich in der Presse informiert wurde“. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit: Der Preis, den Karlin für den Schlachthof bezahlen musste, wurde öffentlich nie kommuniziert.
Karlin will auch heute nicht über Geld reden. Sein Geschäftspartner Basaran, so teilte er mit, „hat mich ausdrücklich gebeten, Zahlen nicht zu nennen. Daran werde ich mich orientieren“.
Das ist sein gutes Recht. Wir haben allerdings auch ohne seine Hilfe alle Zahlen erfahren. Karlin/Basaran hatten den Kaufvertrag im Dezember 2012 unterschrieben, im Rückblick muss er ihnen vorgekommen sein wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk: Sie hatten nur 400.000 Euro zahlen müssen.
EBWO hat einen Plan, Rhenania die besseren Drähte
Knapp anderthalb Kilometer vom alten Schlachthof entfernt liegt die Rhenania AG. Das Logistikunternehmen gehört zur Hälfte der Stadt, weshalb alles Geld, das die Firma ausgibt oder einnimmt, auch den Bürgern von Worms gehört. Deshalb sollte im Rathaus wie Parlament ein ausgeprägtes Interesse an einer seriösen und wirtschaftlichen Unternehmensführung bestehen. Der Aufsichtsrat der Rhenania AG, der die Geschäftsführung kontrollieren soll, wird vom Oberbürgermeister angeführt.
Michael Kissel sagt, es gebe bei der Rhenania die Strategie, „bei jeder sich bietenden Gelegenheit für das Unternehmen geeignete Grundstücke zu erwerben“. Deshalb habe man zum Beispiel Ende 2016 das Sportplatzgelände des FC Blau-Weiß erworben. Es befindet sich in direkter Nachbarschaft des alten Schlachthofgeländes.
Über dieses Immobiliengeschäft sei es zu Gesprächen mit Karlin/Basaran gekommen: Die hätten ihre Immobilie wieder verkaufen wollen, und bei Rhenania sei man sich einig gewesen – Achtung, es folgt feinstes Polit-Sprech! –, „dass der Erwerb des Schlachthofgeländes den strategischen Entwicklungsabsichten entspricht und angegangen werden soll“.
Zur selben Zeit meldete allerdings auch ein anderes städtisches Unternehmen großes Interesse an: Der städtische Entsorgungs- und Baubetrieb Worms, kurz EBWO genannt, hatte bereits ganz konkrete Gedanken zur Nutzung des Schlachthofgeländes vorzuweisen. Man wollte auf dem Grundstück verschiedene Betriebsteile zusammenführen, die derzeit über die Stadt verteilt sind; die geräumten Standorte wiederum sollten für den Bau von Wohnungen, Kita, Sporthalle etc. freigegeben werden.
Oberbürgermeister Kissel war in all diese Überlegungen eingeweiht. Es ist davon auszugehen, dass sie auch dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Karlin bestens bekannt waren: Die Wege sind kurz in Worms, das Netz engmaschig – der für die EBWO zuständige Dezernent im Rathaus heißt Hans-Joachim Kosubek, Sie erinnern sich, der Mann, der vor Jahren so stolz war auf Karlin…
Es hätte jetzt alles ganz einfach ablaufen können: EBWO hatte nachvollziehbare Pläne, das städtische Unternehmen hätte das Schlachthof-Gelände also, vernünftiger Weise, kaufen sollen.
Aber so ist das dann wohl in Worms: CDU-Fraktionschef Karlin und sein Partner Basaran verkauften den Schlachthof an die Rhenania AG, die lediglich abstrakte „Entwicklungsabsichten“ hatte.
Die wundersame Wertsteigerung des alten Schlachthofgeländes
Klaus Karlin will heute nicht verraten, wie es zu dieser Entscheidung kam. Er will auch nicht sagen, wie viel Geld ihm die Rhenania gezahlt hat. Er wird seine Gründe haben.
Wir haben den Kaufpreis dennoch erfahren, im Rathaus: Der CDU-Fraktionsvorsitzende und sein Geschäftspartner Basaran bekamen von der Rhenania AG knapp eine Million Euro überwiesen, exakt: 999.999 Euro. Dazu fielen für das Logistikunternehmen die Nebenkosten für Notar, Grundbuchamt, Grundsteuer usw. an, die üblicherweise der Käufer zu tragen hat.
Die Rhenania AG musste damit für den alten Schlachthof insgesamt 1,130 Millionen Euro zahlen. Für Karlin/Basaran dürfte dieser Deal der zweite große Glücksfall gewesen sein: Mit ihrer Firma KB Immobilien GmbH hatten sie den Schlachthof für nur 400.000 Euro erworben – und konnten ihn nach vier Jahren für 1 Million Euro wieder abstoßen.
Was sind die Gründe für diese wundersame Wertsteigerung? Karlin gibt auf Anfrage die recht pauschale Antwort, es sei „erheblich“ in die Immobilie investiert worden. Außerdem sei die Wertigkeit eines Grundstückes aus Sicht des Käufers zu bestimmen und richte sich stets auch nach dessen Absichten.
Fragte an Oliver Schüttler, den Geschäftsführer der Rhenania AG: Warum kaufte er mit seinem Unternehmen ein Grundstück, für das er seit zwei Jahren – bis heute! – keine konkrete Verwendung weiß? Und warum zahlte er einen derart hohen Preis, wenn der Verkäufer doch ganz offensichtlich verkaufen wollte?
Schüttler will nichts sagen. Er verweist auf seinen Aufsichtsratsvorsitzenden. Oberbürgermeister Michael Kissel begründet die Kaufpreissteigerung wortreich mit „nachgewiesenen Aufwendungen“ – umfangreiche Abbrucharbeiten, Einebnung des Grundstücks, Planungskosten usw. Konkreter lässt er sich allerdings nicht aus, auch nicht auf Nachfrage.
Gutachten verrät den wahren Wert des Schlachthof-Grundstücks
Das Problem, das sich heute abzeichnet: Die Rhenania AG ist Eigentümerin eines 1-Mio-Euro-Grundstücks mit einer riesigen Industrie-Ruine obendrauf, hat aber überhaupt keinen Plan, was sie damit anfangen soll. Weshalb man vor Monaten auf die Idee kam, sich der Immobilie wieder zu entledigen und sie weiterzuverkaufen – an den städtischen Entsorgungsbetrieb EBWO.
EBWO, so dachte man sich wohl bei der Rhenania, hatte das Grundstück ja mal haben wollen – dann sollen sie es jetzt auch kriegen: Der Entsorgungsbetrieb müsse natürlich als Kaufpreis alle bisher angefallenen Kosten übernehmen. Und er müsste natürlich auch alle Nebenkosten zahlen, die bei so einem Grundstücksgeschäft anfallen, das wären jetzt noch einmal mehr als hunderttausend Euro.
Somit müsste der EBWO für das Schlachthofgelände vermutlich 1,3 Millionen Euro zahlen, vielleicht auch einiges mehr.
Es wurde darüber ernsthaft verhandelt, es gab dann noch Diskussionen, weil Teile des alten Schlachthofs unter Denkmalschutz stehen und dringend gesichert und saniert werden müssten, was nach ersten Schätzungen einige hunderttausend Euro kosten dürfte. Bei Karlin war das offensichtlich kein Thema gewesen, aber jetzt: Wer sollte eigentlich dafür aufkommen? Etwa der Käufer? Oder der Verkäufer, die Rhenania AG?
Diese Frage wurde nicht geklärt, es war am Ende auch egal: Im Werksausschuss Entsorgung – das ist das parlamentarische Gremium, das den EBWO kontrolliert – wurden Zweifel laut: Wenn man als städtischer Entsorgungs- und Baubetrieb Worms derart viel Geld allein für das Grundstück ausgebe, dazu noch etliche Millionen für einen notwendigen Um- bzw. Neubau, dann drohten am Ende womöglich Gebührenerhöhungen in der Stadt…
Letzten Monat befasste sich das Gremium noch einmal mit dem Schlachthof-Ankauf. Es war im nicht-öffentlichen Sitzungsteil, die Bürger von Worms sollten Details nicht erfahren, wohl aus gutem Grund: Denn hinter verschlossenen Türen wurde ein Gutachten vorgetragen, das der unabhängige Gutachterausschuss der Stadt ganz aktuell erstellt hatte.
Jetzt lag die Wahrheit auf dem Tisch: Der Verkehrswert des Wormser Schlachthofgeländes liegt gerade mal bei 450.000 Euro!
Am Ende muss der Steuerzahler für alles aufkommen
Ende 2012 konnte der Wormser CDU-Fraktionschef Klaus Karlin mit einem Partner den alten Schlachthof für 400.000 Euro erwerben.
Nach vier Jahre wollten sie wieder verkaufen, und der städtische Entsorgungsbetrieb EBWO zeigte sich auch stark interessiert. Doch Karlin/Basaran verkauften an die halbstädtische Rhenania AG. Das Unternehmen zahlte 999.999 Euro, ohne eine konkrete Verwendung für das Grundstück zu haben. Mit allen Nebenkosten musste Rhenania insgesamt 1,130 Millionen Euro aufwenden.
Wenig später wollte die Rhenania wieder verkaufen – an EBWO. Der Entsorgungsbetrieb gehört zu hundert Prozent der Stadt.
Und jetzt wird der Plan erkennbar: Karlin/Basaran kassierten 1 Million Euro von der Rhenania AG; das Unternehmen wollte sich das Geld eigentlich von dem EBWO zurückholen: Hinter EBWO steht die Stadt, also der Steuerzahler – der sollte offenbar am Ende für alle Kosten gerade stehen müssen.
Dabei liegt der wahre Wert der Immobilie heute nachweislich bei nur 450.000 Euro.
SPD-Oberbürgermeister hat das alles gewusst, der CDU-Fraktionschef ebenso. Beide haben geschwiegen, die Öffentlichkeit sollte keine Details erfahren. Wen wundert’s, dass da die Gerüchteküche brodelt?
Klaus Karlin hält heute die Transaktionen rund um den Schlachthof irgendwie für völlig normal, insbesondere, dass ihm die Rhenania knapp eine Million Euro gezahlt habe: Er gehe „bei Unternehmen, an denen zur Hälfte ein privates Unternehmen Anteile hält, davon aus, dass nur wirtschaftlich vernünftige Entscheidungen getroffen werden“.
Oberbürgermeister Kissel versucht sogar, die Grundstücksschiebereien als besonders verantwortungsvolle politische wie unternehmerische Leistung darzustellen: „Wir (Rhenania AG) wollten uns nicht dem Wunsch der Stadt und des EBWO verschließen, seine Standorte zu konsolidieren (…). Es ging also um die Abwägung der unternehmerischen mit gesamtstädtischen Interessen.“
Bei der Rhenania beschäftigt man sich derzeit, da man die teure Immobilie nicht losgeworden ist, mit der Entwicklung eines eigenen Nutzungskonzeptes. Das sagt zumindest Michael Kissel, seine Worte klingen allerdings wie ein Verbal-Narkotikum fürs Wormser Wahlvolk, jetzt, so kurz vor der Oberbürgermeisterwahl:
Denn im Protokoll der nicht-öffentlichen Werksausschuss-Sitzung, das als streng vertraulich unter Verschluss gehalten wird, lesen wir, dass der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Uwe Gros einen Vorschlag gemacht hat: Über den Ankauf des alten Schlachthofes durch den EBWO sollte man demnächst doch noch einmal beraten, dann aber nicht allein im zuständigen Werksausschuss, sondern in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Haupt- und Finanzausschuss.
Das Kalkül hinter diesem Vorschlag dürfte durchschaubar sein: Nach gewonnener Bürgermeisterwahl wird – der CDU sei dank für ihren schwachen OB-Kandidaten! – Oberbürgermeister Michael Kissel wieder unbeschwert schalten und walten können, wie man das in Worms seit einer halben Generation nicht anders kennt.
Und dann wird die Rhenania AG ihre 1-Mio-Euro-Immobilie ganz bestimmt ganz schnell wieder los. Notfalls an eine städtische Gesellschaft, also auf Steuerzahlers Kosten. Und natürlich mit Gewinn, versteht sich!