Was ist nur in Guntersblum los? Unlängst deckten wir Probleme bei einem geplanten Seniorenheim auf: Die Ortsbürgermeisterin hat sich auf einen undurchsichtig agierenden Investor eingelassen, zugleich droht der Gemeinde eine 100.000-Euro-Klage – das kann richtig teuer werden! Jetzt erfuhren wir: Claudia Bläsius-Wirth hat sich noch weiteren juristischen Ärger eingehandelt! Sie feuerte eine Kindergarten-Helferin – ohne zwingenden Grund, mit fehlerbehaftetem Schreiben, also ziemlich stümperhaft. Der Fall liegt inzwischen vor Gericht, wo die Rathaus-Chefin einen wenig überzeugenden Eindruck hinterließ: Der Gemeinde droht eine unangenehme – und auch hier wohl wieder: teure – Schlappe.
Über 50 Arbeitsverträge von der Gemeinde
Silke S. gilt als beliebt bei Guntersblumer Kindern und Eltern. Jahrelang setzte die Gemeinde die gelernte Bäckerei-Fachverkäuferin als Helferin in der Kindertagesstätte „Spatzennest“ ein, immer wieder nur befristet: Mehr als 50 Arbeitsverträge („Kettenverträge“) wurden der 47-Jährigen in nur wenigen Jahren gegeben. „Die ständige Unsicherheit macht einen auf Dauer fertig“, vertraute sie mal einer Freundin an. „Du weißt nie, was morgen passiert, ob sie dich weiter beschäftigen – oder aussortieren.“
Anfang letzten Jahres war Silke S. sogar wochenlang ganz ohne Vertrag im Einsatz. Der Grund: Schlamperei im Rathaus – man hatte sie schlichtweg vergessen. Da ging sie erst zu einer Rechtsanwältin und dann zur Ortsbürgermeisterin und verlangte, was ihr von Rechts wegen zusteht: die Festeinstellung.
Claudia Bläsius-Wirth kannte die Gesetzeslage. Sie gab Silke S. einen Vertrag: als Teilzeitbeschäftigte, mit 30 Stunden pro Woche, bezahlt nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Und vor allem: unbefristet.
Und nun: Alles gut?
Von wegen!
Als Springerin eingesetzt: eine Strafaktion?
Eine „kleine“ Kindergartenhelferin hatte es gewagt, der „großen“ Ortsbürgermeisterin im 3900-Seelen-Dörfchen Guntersblum einen unbefristeten Vertrag abzutrotzen! Das wollte die Rathaus-Chefin, der ihre Kritiker eine „Selbstherrlichkeit im Amte“ vorhalten, offenbar nicht auf sich sitzen lassen: Das vermeintlich unbotmäßige Verhalten der Mitarbeiterin sollte, dieser Verdacht steht heute im Raum, mit aller Härte abgestraft werden.
Zunächst wurde Silke S., kaum hatte sie den unbefristeten Arbeitsvertrag in der Tasche, als „Springerin“ eingesetzt. Heute hier, morgen da – ständig neue Kindergärten, neue Kinder, neue Kollegen. „Wenn man gerne mit Kindern arbeitet, ist so ein Job entwürdigend“, sagt eine Kita-Leiterin (aus Angst vor Rathaus-Repressalien bat sie darum, ihren Namen nicht zu nennen). „Und es ist auch zermürbend: Als Springerin kriegst du keinen richtigen Kontakt zu Kindern und auch nicht zu Eltern, du kannst an keinem Projekt mehr teilnehmen, bist ständig unterwegs…“ Frau Bläsius-Wirth habe das so verlangt, sagt die Kita-Chefin auch: Silke S. habe sich die Festanstellung erschlichen, habe die Ortsbürgermeisterin bei einem Leitungstreffen gesagt, nun müsse sie die Konsequenzen tragen.
Damit nicht genug: Kurz nach Vertragsunterzeichnung zog Claudia Bläsius-Wirth im Rathaus eine Akte aus dem Schrank. Es handelte sich um die so genannte „Fachkräftevereinbarung für Kindertagesstätten“. Die existiert bereits seit 2013, gilt für ganz Rheinland-Pfalz und sieht vor, dass in Kindergärten möglichst nur noch ausgebildete Fachkräfte eingesetzt werden sollen; Ausnahmen sind übrigens, das ist wichtig, ausdrücklich erlaubt!
Eine selbst geschriebene „Maxime“ als Job-Killer
Vier Jahre lang war dieses Schriftstück in Guntersblum nicht beachtet worden – jetzt sollte es plötzlich richtungsweisend sein: Auf Grundlage der sechsseitigen Vereinbarung notierte die Rathaus-Chefin auf einer Din-A-4-Seite ein paar Eckpfeiler, die fortan für die Kita-Arbeit in ihrer Gemeinde gelten sollten. Sie schrieb „Maxime“ obendrüber und unten drunter vier Namen: Sie selbst unterschrieb, außerdem ihre drei Beigeordneten.
Alle Erzieherinnen, so war da zu lesen, sollten jedes Jahr eine Hospitanz in einem anderen Kindergarten machen. Überstunden seien „in der Regel“ auszuzahlen. Und Erzieherinnen sollten nicht mehr in einem Kindergarten eingesetzt werden, in dem ihr eigens Kind untergebracht ist.
Der zentrale Satz der „Maxime“ steht gleich obenan, er lautet: „Die Kitas arbeiten ausschließlich mit qualifiziertem Personal.“
Mit diesem einen Satz, so muss Claudia Bläsius-Wirth geglaubt haben, habe sie den entscheidenden Hebel in der Hand. Die „Maxime“ als Helferinnen-Killer: Mit diesem Satz könne sie sich der Mitarbeiterin entledigen, die ihr, der Ortsbürgermeisterin, eine Festeinstellung abverlangt habe.
Peinliche Fehler in der Kündigung
Am 17. Mai dieses Jahres war der Tag gekommen: Die Rathaus-Chefin übergab das Kündigungsschreiben an Silke S. – fristgerecht, wie sie glaubte, zum 30. Juni. Dummerweise hieß es in dem Schreiben, der Personalrat habe zugestimmt. Das war, ganz schön peinlich, natürlich falsch: Der Personalrat hatte die Kündigung lediglich zur Kenntnis genommen. Die Ortsbürgermeisterin schrieb, als der Fehler bemerkt wurde, flugs eine neue Kündigung, fuhr abends persönlich am Haus von Silke S. vorbei und warf das Schreiben in deren Briefkasten.
Es ist vermutlich noch ein zweiter Fehler passiert: Frau S. arbeite seit Juli 2013 für die Gemeinde, also noch keine fünf Jahre, weshalb die Kündigungsfrist nur sechs Wochen betrage – so argumentiert die Rathaus-Chefin heute. Doch ist wirklich wahr, was sie da behauptet?
Auf allen Personalpapieren von Silke S. – die meisten liegen bei der VG-Verwaltung, wir haben diverse einsehen können – wird der 4. Februar 2013 als Eintrittsdatum genannt: Demnach arbeitet die Helferin schon mehr als fünf Jahre für die Gemeinde. Und damit beträgt ihre Kündigungsfrist laut Tarifvertrag drei Monate.
Solche „Petitessen“, die Rückschlüsse auf die Qualität der Verwaltungsarbeit im Guntersblumer Rathaus erlauben, blieben außen vor, als der Fall jetzt vorm Arbeitsgericht in Mainz landete. Claudia Bläsius-Wirth musste erscheinen, ihr zur Seite standen eine Mitarbeiterin der Verbandsgemeinde sowie eine Rechtsanwältin vom Kommunalen Arbeitgeberverband.
War die Lokalzeitung, bekannt für obrigkeitszentrierte Berichterstattung, über diesen Termin nicht informiert worden? Oder war ihr das Thema zu heikel? Jedenfalls war kein AZ-Reporter im Gerichtssaal anwesend. Bisher ist noch keine Zeile darüber in der Zeitung zu lesen gewesen. Das Thema wurde unter Verschluss gehalten – bis heute.
Anwältin: Kündigung war Maßregelung
Auf der Kläger-Seite saß Silke S. mit ihrer Mainzer Rechtsanwältin Verena Schnatterer. Die gilt als erfahrene Arbeitsrechtlerin, und sie redete Klartext: Im Februar 2017 habe Silke S. ihren unbefristeten Vertrag verlangt und bekommen. Unmittelbar danach, im März 2017, habe die Ortsbürgermeisterin mit der Erarbeitung ihrer „Maxime“ begonnen, und zwar auf Grundlage einer vier Jahre alten Fachkräftevereinbarung. Für die Juristin war es eindeutig: „Diese Kündigung war eine reine Maßregelung.“
Es gibt darüber hinaus eine zentrale Schwachstelle in der Argumentation der Ortsbürgermeisterin, die von der Richterin sofort erkannt und schonungslos aufgedeckt wurde: Es arbeitet mindestens eine weitere Nicht-Fachkraft in Guntersblumer Kindergärten. Warum wurde diese Helferin nicht ebenfalls entlassen, wenn man in der Gemeinde doch nur noch Fachkräfte zu den Kindern lassen will?
Claudia Bläsius-Wirth, die selbst unter Parteifreunden als beratungsresistent gilt, sagte vor Gericht, man habe eine „Sozialauswahl“ getroffen. Die zweite Helferin sei alleinerziehend, deshalb wolle man sie weiterhin beschäftigen.
Die CDU-Ortsbürgermeisterin musste sich daraufhin mehrmals von der Richterin sagen lassen: Natürlich habe ein Arbeitgeber das Recht, die grundsätzliche Qualifikation seiner Mitarbeiter festzulegen. Aber das gelte dann für alle, könne nicht zu beliebigen Einzelfall-Entscheidungen führen. Die Richterin sprach von „Schlangenlinien“ der Gemeinde: „Das sehe ich sehr skeptisch.“
Personal-Kuddelmuddel in Kindergärten
Kleiner Einschub: Die zweite Kita-Helferin soll unmittelbar nach der Festanstellung von Silke S. erst zu einem Rechtsanwalt und dann ins Rathaus gegangen sein und von der Bürgermeisterin ebenfalls einen unbefristeten Vertrag gefordert haben. Diese Helferin hatte zuvor bereits mehr als 100 (in Worten: einhundert!) befristete Arbeitsverträge von der Gemeinde bekommen.
Claudia Bläsius-Wirth, so berichten Kita-Leiterinnen, habe der Festanstellung dieser Mitarbeiterin nach längerem Zögern zugestimmt – aber nur für zehn Wochenstunden. Davon kann eine alleinerziehende Mutter natürlich nicht leben. Kompromiss: Weitere 20 Stunden werde die Frau heute über den Vertretungspool der Verbandsgemeinde eingesetzt, heißt es. Und von dort werde sie seither, obwohl „nur“ Helferin, regelmäßig in Guntersblumer Kitas eingesetzt…
Claudia Schaad, die bei der Verwaltung der Verbandsgemeinde für Kita-Personalthemen zuständig zeichnet, will sich zu diesem personellen Kuddelmuddel nicht äußern. Wenn eine Ortsgemeinde eine „Maxime“ aufstelle, wonach in Kindergärten nur noch qualifiziertes Personal arbeiten dürfe, sei das Sache der Ortsgemeinde.
Frage: Wie ist das in den anderen Orten der Verbandsgemeinde geregelt? Gibt’s da „Maximen“? Frau Schaad: „Da müssen Sie schon in den Orten nachfragen.“
Frau Schaad gibt sich sehr zugeknöpft, die Fragen scheinen ihr nicht zu behagen. Noch ein Versuch: Wie ist es zu bewerten, dass Helferinnen über den Vertretungspool in eine Gemeinde geschickt werden, die – wie Guntersblum – den Kindern keine Helferinnen mehr zumuten möchten? „Das ist Sache der Ortsgemeinde“, sagt Frau Schaad, „dazu müssen Sie die Ortsbürgermeisterin befragen“.
Liebe teure Leiharbeiter statt erfahrene Helferinnen?
Einschub 2: Es meldeten sich nach dem Gerichtstermin mehrere Guntersblumer Erzieherinnen beim Autor dieser Berichts: Claudia Bläsius-Wirth würde sich ständig in die Kindergartenarbeit einmischen, sagten sie, das sei längst unerträglich. Die „Maxime“ sei allein von der Ortsbürgermeisterin und den Beigeordneten unterzeichnet worden: „Wir Kindergarten-Mitarbeiter haben das Papier nur bekommen.“ Mitreden, soll das wohl heißen, sei nicht erwünscht gewesen.
Die Entlassung einer Helferin, sagen die Erzieherinnen unisono, sei auch sonst in keiner Weise nachvollziehbar: Silke S., die doch an Fortbildungslehrgängen teilgenommen und sich in 160 Unterrichtsstunden zur Tagespflege für Kinder qualifiziert hat, habe stets gute Arbeit geleistet: „Das kann doch nicht plötzlich alles falsch gewesen sein!“
Auch herrsche längst bedrohlicher Personal-Engpass in den Kitas. Ohne die Helferinnen müsse man künftig noch häufiger Aushilfen aus dem Vertretungspool der Verbandsgemeinde oder über Zeitarbeitsfirmen anfordern: „Häufig werden uns dann Nicht-Fachkräfte geschickt“, sagt eine Erzieherin. Die seien nicht nur wesentlich teurer. „Die haben oftmals den echten Nachteil, dass sie sich überhaupt nicht auskennen.“
Das Schweigen der Ortsbürgermeisterin ist beredt
Es soll noch einen weiteren Fall geben, in dem eine Kita-Mitarbeiterin unlängst juristische Hilfe in Anspruch nehmen musste: Eine Leitungskraft sei von Claudia Bläsius-Wirth „strafversetzt“ worden, weil ihr Mann – so wird erzählt – einen Rathaus kritischen Post auf Facebook veröffentlicht habe. Monatelang sei daraufhin ein Kindergarten ganz ohne Führung gewesen.
Wir hätten Claudia Bläsius-Wirth zu alledem gerne befragt: Was ist los in Guntersblums Kindergärten? Und was ist das für eine Rathaus-Personalpolitik, die Mitarbeiterinnen dazu zwingt, sich Rat und Hilfe bei Juristen zu suchen?
Wir wollten auch fragen: Was denkt sich eine Ortsbürgermeisterin – eine christdemokratische zumal – dabei, wenn sie Mitarbeiterinnen über Jahre hinweg immer wieder nur befristete Kettenverträge gibt? Und warum sortiert sie langjährige Helferinnen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen und offenbar stets gut mit den Kindern gearbeitet haben, nun kurzerhand auf derart ruppige Weise aus?
Anfangs zeigte sich Frau Bläsius-Wirth zu einem Gespräch bereit. Sie schlug einen Termin im Rathaus vor, sagte ihn fest zu – und dann doch kurzfristig wieder ab: Das Kellerwegfest stünde bevor, ließ sie über ihre Sekretärin mitteilen, sie müsse sich vorbereiten. Ein neuer Termin? Vorerst nicht in Sicht…
Eine schriftliche Bitte um Stellungnahme schlug ebenfalls fehl: Auf die eingesandten Fragen gab es keine Antworten, nicht mal eine Absage.
Das Feste feiern, so scheint’s, genießt einen hohen Stellenwert im Leben der CDU-Ortsbürgermeisterin. Da müssen Kita-Mitarbeiterinnen schon mal in Unsicherheit leben. Und Journalisten ohne Antworten bleiben.
So wird’s am Ende doch sehr beredt, das Schweigen der Claudia Bläsius-Wirth.
Demnächst aber wird sie reden müssen. Nachdem der erste Prozesstag, es war ein so genannter Gütetermin, keine Einigung gebracht hatte, wurde ein zweiter Termin anberaumt: Kindergärtnerin gegen Ortsbürgermeister – im November geht’s vorm Mainzer Arbeitsgericht weiter.