Innenminister Boris Rhein (38) greift durch: Landespolizeipräsident Norbert Nedela (59) hat er geschasst, mit Udo Münch (54) präsentierte er gestern gleich einen Nachfolger. Er verspricht der Polizei eine neue Führungskultur, und einen Ombudsmann will er auch installieren. FNP-Redakteur Thomas Ruhmöller sprach mit dem Minister über die jüngsten Affären, die Zukunft der Polizei – und den „neuen“ Rhein, der in vier Wochen kommen soll.
Herr Minister, Sie haben mit Norbert Nedela einen Mann gefeuert, der schon bei der Polizei war, als es Sie noch gar nicht gab. Wie fühlt man sich dabei?
BORIS RHEIN: Die Trennung von einem Mitarbeiter ist immer eine schwierige Angelegenheit – gänzlich unabhängig vom Altersunterschied. Mir ist die Trennung von Herrn Nedela auch deshalb schwer gefallen, weil er ein Polizeiexperte ist, der sich große Verdienste um die Polizei erworben hat. Aber es ist nun mal so, dass es Differenzen zwischen Hausspitze und dem Landespolizeipräsidenten gab, da war der Weg vorgezeichnet.
Sie sind sich bewusst: Sie kopieren Ihren Vorgänger…
RHEIN: …weil er damals Polizeipräsident Scheu entlassen hat?
Genau.
RHEIN: Wer Verantwortung trägt, der muss harmonieren mit denen, die Mitverantwortung tragen. Der Landespolizeipräsident ist oberster Polizeibeamter, der Minister sein oberster Dienstherr. Wenn unterschiedliche Auffassungen bestehen, und das ist eine sehr individuelle Sache, dann muss man eben diese – durch das Gesetz vorgegebene – Entscheidung treffen.
Was sagte Volker Bouffier dazu? Immerhin hatte er Nedela eingestellt, der Mann war seine „Speerspitze“ . . .
RHEIN: Eine solche Entscheidung kann man nicht ohne seinen Ministerpräsidenten treffen. Volker Bouffier war frühzeitig eingeweiht, und ich bin ihm sehr dankbar, dass er uns beraten und unterstützt und insbesondere freie Hand gelassen hat.
Kurzer Blick zurück: Vor zehn Tagen wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen Ihre LKA-Chefin ermittelt. Dann kam heraus: Interne Ermittler aus dem LKA sollen Akten gefälscht haben. Und Sie? Sie feuern den Polizeipräsidenten. Wie passt das zusammen?
RHEIN: Die Beendigung der Amtszeit von Norbert Nedela hat nur im Entfernten zu tun mit den Dingen, die in den letzten Tagen passiert sind. Die Entscheidung, Herrn Nedela zu entlassen, ist ausschließlich darin begründet, dass wir unterschiedliche Auffassungen haben, wie die Polizei zu führen ist.
Ihre Internen Ermittler, die absolut integer und loyal sein müssten, sollen sich kriminell verhalten haben. Wie bewerten Sie das?
RHEIN: Wir sind mitten in den Ermittlungen, da ist es falsch, eine Bewertung abzugeben. Ich habe immer gesagt: Erst wird ermittelt, dann wird geurteilt, und nicht umgekehrt. Und diesen Weg will ich weiter einhalten. Es gehört zur Führungskultur dazu, dass wir nicht Urteile fällen, bevor wir den genauen Sachverhalt kennen.
Zur LKA-Chefin: Es gibt massive Mobbing-Vorwürfe gegen Sabine Thurau, seit Jahren. Sie soll in Frankfurt ein System des Denunziantentums implementiert haben. Sie soll aufgrund von Lügen und Intrigen Beamte ungerechtfertigt vom Dienst suspendiert haben. Ist eine solche Führungskraft für Sie ernsthaft noch tragbar?
RHEIN: Sie sagen selbst: Sie „soll“ das getan haben. All das muss überprüft werden, und all dem muss nachgegangen werden – das gehört eben auch jetzt zu unseren Aufgaben, und erst am Ende sind Entscheidungen zu treffen. Nach heutigem Stand der Dinge steht eine Suspendierung Frau Thuraus gar nicht an. Nicht zuletzt deshalb, weil auch das Gesetz uns eine Suspendierung nicht erlauben würde.
Frau Thurau hat Beamte schon suspendiert, weil sie angeblich Dienstfahrten falsch abgerechnet haben sollen…
RHEIN: Darin steckt der Vorwurf: Die Großen lasst ihr laufen, die Kleinen hängt ihr. Das ist nicht richtig. Selbst wenn Fehler geschehen sein sollten: Ich bin nicht bereit, den gleichen Fehler zu begehen. Ich bin gebunden an das hessische Disziplinargesetz, und zum Thema Führungskultur gehört auch, dass es keine Gleichheit im Unrecht gibt. Wir werden strikt nach dem Buchstaben des Gesetzes vorgehen, davon lasse ich mich nicht abbringen.
Seit Jahr und Tag heißt es: Es herrsche ein System der Angst bei der Polizei. Konstruktive Kritik sei nicht erwünscht, Widerspruch bedeute das Ende einer Karriere. Dazu Mobbing, intransparente Personalentscheidungen – kurzum: Die Stimmung bei Ihrer Polizei ist ganz unten. Wie kommt man da jetzt wieder raus? Reicht ein Münch?
RHEIN: Udo Münch ist ein anerkannter und bei den Beamtinnen und Beamten beliebter Polizeiführer. Er ist eine Führungskraft mit hoher fachlicher, aber insbesondere auch sozialer Kompetenz. Und deswegen glaube ich, dass die Personalie Münch ein ganz wichtiges Signal ist.
Er soll, wenn wir Sie richtig verstehen, eine neue Führungskultur aufbauen. Wie sieht so etwas aus?
RHEIN: Wir müssen deutlich machen, dass bei der Polizei kritische Stimmen erwünscht sind, dass konstruktive Vorschläge erforderlich sind, dass Entscheidungen selbstverständlich transparent sein müssen. Darüber hinaus müssen Strukturen verändert werden, es muss eine Kultur Einzug halten, in der auch hingehört wird und diskutiert wird und in der vor allem konstruktiv und sachlich miteinander umgegangen wird.
Stichwort Ombudsmann: Offenbar stehen Sie einer solchen Institution bei der Polizei nicht mehr so ablehnend gegenüber, wie das die CDU im Landtag bisher tat…
RHEIN: Ich denke tatsächlich daran, eine Art Ansprechpartner zu installieren. Jemand, der nicht in der Linie und Hierarchie der Polizei steht. Wir brauchen jemanden, der erstens die Polizei kennt, der zweitens unabhängig ist, der drittens eine hohe Reputation bei der Polizei genießt und der viertens in der Lage sein sollte, sich der Probleme und Anregungen der Beamten anzunehmen.
Wann soll der kommen?
RHEIN: Das kann ich derzeit nicht sagen. Der Innenausschuss wird sich diese Woche mit dem Thema befassen, ich will dem nicht vorgreifen. Ich will die Beratungen abwarten, um möglicherweise von dort Anregungen mitzunehmen.
Herr Rhein, Sie haben mit der Innenbehörde einen Moloch übernommen. Sie sind zudem CDU-Kreisvorsitzender von Frankfurt und wollen dort in etwas mehr als 100 Tagen eine Partei zur Wahl führen, die derzeit den Anschein erweckt, in Trümmern zu liegen. Und dann ist da noch die Familie – zu Hause sitzt eine Ehefrau und erwartet ein Kind. Bisschen viel, oder?
RHEIN: Also, um das ganz deutlich zu sagen: Wir haben – bei allen Problemen – eine gut aufgestellte, sehr gut ausgestattete Polizei. Wir haben eine Aufklärungsquote von 57,8 Prozent – das gab’s noch nie, das zeigt, wie gut unsere Polizistinnen und Polizisten ihren Job machen. Die Innenbehörde ist also keinesfalls ein Moloch.
Was man aber schon gar nicht sagen kann, ist, dass die CDU in Frankfurt in Trümmern liegt. Gucken Sie sich doch mal unsere Konkurrenten an – wen gibt’s denn da? Die Sozialdemokratie findet erst gar nicht statt, die Grünen sind unser Koalitionspartner, den wir schätzen, aber auch nicht überbewerten sollen, die FDP hat ihre eigenen Probleme. Die Frankfurter CDU ist die gestaltende, die stärkste Kraft in der Stadt, und wir sind auch personell bestens aufgestellt. Wir diskutieren derzeit intensiv unser Programm, und unser klares Ziel ist, am 27. März als Erster durchs Ziel zu gehen und wieder eine Koalition anzuführen.
Und zu Hause – auch alles in Ordnung? Wann kommt der Nachwuchs?
RHEIN (lacht): Ja, alles bestens. Anfang Dezember ist es so weit, es könnte ein Nikolaus werden.
Erschienen in der FNP am 04.11.2010