Der Anwalt und sein Roter Adam

Als Anwalt hat er Schlachten vor Gericht ausgetragen, die in die Rechtsgeschichte Hessens eingehen werden. Er verhalf vier Steuerfahndern, die mit Falschgutachen für verrückt erklärt und von der Behörde zwangspensioniert worden waren, zu Schadensersatz in insgesamt sechsstelliger Höhe. Mit seiner Hilfe wurde ein Frankfurter Kriminalbeamter, der von der heutigen LKA-Chefin jahrelang mit falschen Anschuldigungen ausgegrenzt worden war, vollständig rehabilitiert, der Mann bekam dazu 8000 Euro Schmerzensgeld. Er erkämpfte für einen Polizeiführer, der bei einer Beförderung vom damaligen Innenminister Bouffier widerrechtlich übergangen worden war, 50.000 Euro…

Harald F. Nolte – der Name dieses Anwalts dröhnt wie Donnerhall in den Ohren hessischer Behördenleiter. Jetzt, mit 66 Jahren und vorm Übergang ins Rentenalter, hat sich der Spezialist für beamtenrechtliche Problemfälle noch einmal voll in Arbeit gestürzt, allerdings auf ganz neuem Terrain:

Er hat den ersten reinen roten Apfelwein, ja, man kann sagen: der Welt kreiert! Nächsten Sonntag, wenn im Gesellschaftshaus des Palmengartens die 8. Internationale Apfelweinmesse stattfindet, präsentiert er seinen „Roten Adam“ der breiten Öffentlichkeit.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Es gibt natürlich schon roten Apfelwein. Aber der ist nur deshalb rot, weil Beerensäfte dem Apfelmost beigemischt werden. „Bei meinen Selectionen“, erzählt Nolte voll Stolz, „beruhen die roten Nuancen ausschließlich auf dem roten Fruchtfleisch verschiedener Apfelsorten“. Er kreierte also sozusagen reinrassigen roten Apfelwein! Der hat natürlich nicht diesen sattdunklen Farbton des roten Traubenweins. Doch der Liebhaber des hessischen Nationalgetränks weiß: Reinen rotfarbenen Apfelwein – so etwas gibt’s wirklich noch nicht!

Wie kommt ein Rechtsanwalt, dessen Brotberuf doch eigentlich das Parlieren mit Paragrafen ist, zu einer derart süffigen Beschäftigung? Wenn Nolte davon erzählt, ist er nicht wiederzuerkennen:

Der Mann, der in Gerichtsälen durch profunde Kenntnis furztrockener Verwaltungsmaterie besticht, zeigt plötzlich Emotionen, Begeisterung! Schon immer habe er sich für die Apfelzucht interessiert, „das habe ich von meinem Großvater Oskar mitbekommen“. Er habe sich dann in die Materie reingekniet, habe Schoppen für den privaten Genuss gekeltert – und eines Tages Äpfel mit rotem Fruchtfleisch angeboten bekommen. „Ich kannte diese Sorte nicht. Aber ich ahnte sofort: Daraus müsste man roten Apfelwein machen können!“

Er recherchierte im Internet, erfuhr, dass rotfleischige Apfelsorten nur selten angepflanzt werden, weil sie wegen ihres speziellen Säuregehalts für den Verzehr nur bedingt geeignet sind. Er fuhr tausende Kilometer, um die Obstbauern aufzusuchen, die diese Früchte noch anbauen. Er fand sie im Alten Land bei Hamburg, am Niederrhein, in der Schweiz und – Überraschung! – in Hessen: Das Obstbau-Institut Geisenheim züchtet eine rotfleischige Sorte namens „Pomfital“.

Nolte kaufte die Äpfel in Mengen, holte sie mit einem Anhänger ab, ließ sie pressen und den Most in angemieteten Tanks zur Gärung bringen. Nach etlichen Versuchen hatte er’s geschafft: Der rotfarbene Apfelwein mundet vorzüglich! Und eine Geschäftsidee war geboren:

Unterstützt von Ehefrau Magdalene und den zwei Töchtern ließ der Anwalt einige tausend Flaschen abfüllen. „Manufactur Apfeltraum“ nennt er sein kleines Unternehmen, fürs Getränk selbst ließ er sich die Markenbezeichnung „Roter Adam“ schützen. Dieser Name, da formuliert der gewöhnlich nüchtern-rationale Jurist plötzlich richtig prosaisch, „stelle eine symbolische Verbindung unserer heute noch wachsenden rotsaftigen Wildäpfel zum Paradies von Adam und Eva mit Lust auf Versuchung und Sinnlichkeit her.“

Zwei Weine gab die Apfelernte 2015 her: „Selection Tönisforst“ und „Selection Altes Land“, Erstere, beschreibt Nolte, verbinde die Note des frischen Apfels im Nachgang mit dem Duft eines Weinbergpfirsichs, letztere „mundet fruchtig-kernig und entfacht nach einiger Zeit im Glas eine Grapefruit-Note“.

Auch rotfarbigen Apfelsecco produzierte er, seinen „Tönisforster“ beschreibt Nolte als „rosa perlendes, trockenes Schaumwein-Cuvee, das aus den Sorten Weirouge und Redlou mit einer kleinen Umarmung von Gala Royal entstanden ist“, wobei im Nachgang „ein Hauch von Pfirsich erlebbar“ sei. Sein „Apfelsecco Pomswiss“ aus Schweizer Redlove-Äpfeln entwickele dagegen eine extravagante Cranberry-Note.

Ziel erreicht – nun zufrieden? Mitnichten, das entspräche auch nicht Noltes Naturell! Seine Apfelweine, so überlegt er schon, dürften eigentlich nicht nur den Hessen vorbehalten bleiben. Sie müssten auch dort genossen werden können, wo die rotfleischigen Äpfel angebaut werden. „Mein Traum wäre“, verrät Nolte, „dass auch die Nordfriesen eines Tages meinen fruchtig-herben Apfelwein aus dem Alten Land zu ihren Fischgerichten genießen, und dass der Rote Adam als Apfelsecco an Buhne 16 am Sylter Sandstrand ausgeschenkt wird.“

Erschienen in der FNP am 04.04.2016