Der alte Mann und die Abzocker vom Notdienst

Ein älterer Herr aus Rheinhessen ist Opfer von angeblichen Notdienst-Handwerkern geworden. Weil das, was ihm widerfahren ist, jederzeit jedem von uns passieren könnte, hat er sich gemeldet und gebeten, dass wir seine Geschichte veröffentlichen. Das tun wir gerne – zumal wir dem Hintermann der üblen Abzocke auf die Spur gekommen sind: Jetzt endlich wird gegen ihn vorgegangen!

Dieter E. ist in seinem Berufsleben Architekt und Diplom-Bauingenieur gewesen, er ist jetzt 79 Jahre alt und lebt mit seiner Frau im rheinhessischen Monsheim. In der 2500-Seelen-Gemeinde rechnet kein Mensch damit, von einem Handwerker über den Tisch gezogen zu werden. Und wenn man dann auch noch „vom Fach“ ist, wenn man in seinem Leben so viel Erfahrung, Wissen und Kenntnisse angesammelt hat wie Dieter E., dann müsste ein dreistes Betrugsmanöver eigentlich ausgehen wie das Hornberger Schießen.

Müsste. Eigentlich. Doch es gehört zum Wesen jeglicher Gaunerei, dass die Unbedarftheit und Gutgläubigkeit von Menschen kaltherzig ausgenutzt wird. Besonders perfide agieren Täter, die sich mit dem Mantel der Hilfsbereitschaft tarnen. Gier ist ihre Triebfeder, Gerissenheit das Tatwerkzeug – so plündern sie in Not geratene Menschen, immer wieder, wie auch in unserem Fall:

„In einer von uns vermieteten Wohnung – die Bewohner waren gerade nicht da – hatte es abends einen Rohrbruch gegeben“, erzählt Dieter E. Eine Nachbarin habe sofort den Haupthahn zugedreht und ihn informiert. „Ich bat sie, einen Notdienst zu rufen, damit das Rohr zumindest notdürftig geflickt und das Wasser wieder angestellt werden könne.“

Bild zum Vergrößern anklicken: Diese Internetseite verspricht einen  Klempnerservice aus Monsheim. Dahinter steckt ein Callcenter in Regensburg!

Die Nachbarin googlete im Internet mit nahe liegenden Begriffen: Klempner, Notdienst, Monsheim… Sie glaubte erwarten zu können, ihr würden Klempner-Notdienste aus der Umgebung angezeigt.

Aber Sie ahnen ja gar nicht, wie viele Notdienste im Internet vorgeben, in Monsheim zu sitzen! Das Phänomen finden Sie übrigens überall, testen Sie es ruhig mal: Sie werden überrascht sein, wie viele Notdienste auch in Ihrem Wohnort ansässig zu sein vorgeben!

Die Nachbarin öffnete eine der Notdienst-Seiten und rief die groß angezeigte Telefonnummer an. Natürlich könne man ihr helfen, sagte eine nette Dame am anderen Ende der Leitung, es werde drei bis vier Stunden dauern, mehr könne sie am Telefon allerdings nicht sagen: Wie lange die Reparatur dauern und was sie kosten würde, das könnten nur die Handwerker beurteilen, die gleich kommen würden, ganz bestimmt….

Handwerker wirkten plötzlich bedrohlich

Sie kamen gegen 22 Uhr: Zwei Männer in einem weißen BMW mit Ludwigshafener Kennzeichen (LU-KJ 9xx – die Zahlen sind bekannt, die Polizei weiß inzwischen Bescheid ;-).

Die Männer hatten das Rohr binnen Minuten abgedichtet, ihr Einsatz dauerte keine 20 Minuten. Das war’s schon.

Und dann präsentierten sie ihre Rechnung:

Einsatzpauschale: 249,90 Euro.

An- und Abfahrt: 49 Euro.

Arbeitszeit, zwei Einheiten a 15 Minuten zu je 49,90 Euro: 99,80 Euro.

Plus zwei Wasserverschlüsse für zusammen 17,98.

Ergibt 416,68 Euro.

19 Prozent Mehrwertsteuer kommen noch oben drauf:

Macht zusammen 495,84 Euro.

Die „Rechnung“, die die angeblichen Handwerker zurückließen.

Es war fast Mitternacht, der 79-Jährige Dieter E. war längst müde – und jetzt auch geschockt: „Ich wollte es nicht glauben! 500 Euro für 20 Minuten Arbeit! Ich hatte gar nicht so viel Geld dabei! 300 Euro hatte ich eingesteckt. Ich gab den Männern das Geld und wollte den Rest überweisen. Aber sie verlangten die ganze Summe, sofort, in bar.“

Dieter E. sagt, normalerweise hätte er in so einer Situation die Polizei gerufen. Aber es sei schon so spät gewesen, die beiden Männer hätten einen bedrohlichen Eindruck gemacht, und weil seine Frau dabei gewesen sei, habe er keinen Ärger provozieren wollen. Er sei mit den Männern zum nächsten Geldautomaten gefahren und habe ihnen das Geld gegeben.

Eine Rechnung hat er, wie gewünscht, ausgehändigt bekommen. Eine Rechnung? Es ist eher ein Schmierzettel: „MAB 24 STD Notdienst“ steht obendrüber, und als Firmensitz ist Vorstadt 13 in der hessischen Stadt Hanau angegeben – mehr als 110 Kilometer von Monsheim entfernt.

In ganz Hanau gibt’s keinen Betrieb mit dem angegebenen Namen. Die dortige Kreishandwerkerschaft teilte inzwischen mit: „Weder unter dem Firmennamen noch unter der genannten Anschrift konnte eine Eintragung in der Handwerksrolle festgestellt werden.“ Man habe deshalb bei der zuständigen Kreisverwaltung in Gelnhausen Strafanzeige wegen Schwarzarbeit erstattet.

Womit sich natürlich jetzt diese Frage stellt: Zwei angebliche Handwerker, die vielleicht gar keine sind, und die vorgeblich für eine hessische Firma arbeiten, die es definitiv nicht gibt – woher wussten die eigentlich von einem Wasserschaden zu nächtlicher Stunde im rheinhessischen Monsheim?

Der Drahtzieher sitzt in Regensburg

Damit nähern wir uns dem wahren Übeltäter, dem Drahtzieher hinter dem schnellen Geschäft mit der Not anderer Leute: Als die Nachbarin im Internet einen Notdienst suchte, fand sie eine Webseite, die einen Notdienst in Monsheim vorgaukelte und schnelle, unkomplizierte Hilfe versprach: Rufen Sie einfach an!

Die Wahrheit aber ist: Sie hatte eine Vermittlungsagentur angerufen, die ihren Sitz in Regensburg hat. Das Büro dort ist von Monsheim rund 360 Kilometer entfernt und selbst mit einem schnellen Auto bestenfalls in vier Stunden zu erreichen.

Unsere Recherchen ergaben: Die bayerische Bischofsstadt hat sich in den letzten Jahren zu einem Zentrum bundesweiter Notdienst-Abzocke entwickelt. Der Drahtzieher im Hintergrund heißt Thomas Mannstaedt. Er betreibt gleich mehrere Firmen, sie heißen „M&S Auftragsvermittlung GmbH“, „DFH Sicherheitstechnik GmbH“, „DHE Technik GmbH“, „Der Sicherheitsprofi“ – um nur einige zu nennen.

Diese Mannstaedt-Firma nennt sich DHE, was für „Der Handwerker Engel“ stehen soll. 

Mannstaedt scheint beim Entwerfen neuer Firmennamen von einem schrägen Humor geleitet zu werden: Abkürzungen wie „DFH“ und „DHE“ stehen für „Der freundliche Handwerker“ bzw. „Der Handwerker Engel“. Notdienst-Opfer werden also mit seiner Hilfe nicht nur ausgenommen. Sie sollen sich offensichtlich auch noch verhöhnt vorkommen…

Fast jede der Mannstaedt-Firmen betreibt zahlreiche Webseiten im Internet, mit denen Dienstleistungen für alle möglichen Notfälle angeboten werden. Die Seiten heißen beispielsweise sanitaernotdienst-24.de, elektriker-24std.de, der-aufsperrdienst.de, kammerjaeger-1a.de, schimmelentfernen24.de usw. usf. Sie sind alle ähnlich gestaltet: Stets wird im oberen Bereich der Webseite eine große Telefonnummer („Kostenlose Servicenummer“) gezeigt, umgeben von Schlagworten: Schnell. Seriös. Preiswert.

Dutzende Webseiten versprechen schnelle Hilfe

Auch diese Notdienst-Seite von Thomas Mannstaedt erweckt den Eindruck, sie stamme von einer Handwerksfirma aus der Nähe.

Wir haben, beim schnellen Googlen, mehr als zwanzig solcher Notdienst-Webseiten gefunden, die allesamt von Thomas Mannstaedt über seine diversen Firmen betrieben werden. Ganz egal, ob es sich um Türöffnung, Rohrbruch, Schimmelbeseitigung oder Kammerjäger handelt – die Masche funktioniert in allen Fällen gleich:

Die Webseiten sind oft so programmiert, dass der Eindruck erweckt wird, der Notdienst befinde sich ganz in der Nähe des Anrufers.

Unter einer groß herausgestellten Telefonnummer – in der Regel ist nur eine Handynummer angegeben – meldet sich aber kein Handwerksbetrieb. Sondern lediglich ein Callcenter.

Das Geschäft von Thomas Mannstaedt ist also mitnichten die schnelle Hilfe. Es ist die Vermittlung von Dienstleistungen. Sein Callcenter hat Adressen von Handwerkern (und solchen, die sich dafür ausgeben) gespeichert. An die werden Notdienst-Aufträge weitergereicht – gegen eine Provision, die teilweise mehr als 50 Prozent des Entgelts ausmachen soll.

Einschlägige Foren im Internet sind voll von Beschwerden. In erster Linie empören sich die Leute natürlich über die viel zu hohen Kosten: „Wucher!“ heißt es immer wieder. Auch wird beklagt, dass die angeblichen Handwerker gar nicht existierten, falsche Adressen angegeben hätten und falsche Telefonnummern – wie in unserem Monsheimer Fall.

Bei Beschwerden gibt’s keine Hilfe

Ein Schlüsselnotdienst in Monsheim? Nein, ein Blick ins Impressum verrät: Hinter dieser Webseite steckt Thomas Mannstaedt aus Regensburg.

Wir haben Thomas Mannstaedt etliche Fragen zugeschickt. In zwei Mails antwortete er, allerdings überging er die meisten Fragen. Vielmehr versucht er, sich und seine Unternehmen in ein positives Licht zu rücken. Und ganz unverhohlen droht er dem Fragesteller.

Er könne nicht „für über 500 Firmen haften, für die wir als Callcenter und Auftragsannahme arbeiten“, schreibt er. Die meisten der Firmen „sind noch nie auffällig geworden. Leider haben wir es versäumt positive Publicity zu betreiben, so dass nur die Fälle im Internet erscheinen, die unzufrieden sind“.

Es sei in der Tat „zu Vorfällen gekommen, die wir gerne vermieden hätten“. Und leider werde es immer wieder Vorfälle geben, „auf die wir erst reagieren können, wenn sie passiert sind“.

Interessante Auskünfte. Mit 500 Firmen arbeitet Mannstaedt demnach zusammen: Diese Zahl ist neu, und sie ist auch beachtlich – wenn sie denn wahr ist.

Mit seinem Reagieren auf Beschwerden aber ist das so eine Sache: Glaubt man den vielen Klagen in den Internetforen, dann werden Opfer von Notdienst-Handwerkern im Mannstaedt-Callcenter mit lapidaren Ausflüchten abgewimmelt: Man sei nur Vermittler; bei Problemen mit den Handwerkern müsse man sich direkt an diese wenden – oder ans Gericht.

Genauso lautet eine seiner Antworten auf unsere Fragen zum konkreten Monsheimer Fall. Mannstaedt schreibt: „Sofern eine angeblich nicht existierende Firma einen Auftrag ausgeführt hat, müssen Sie Anzeige erstatten, weil diese Handwerker anscheinend Steuerhinterziehung betreiben.“

Das soll wohl ein Scherz sein, oder? Wie sollen wir einen Handwerker anzeigen, den er uns geschickt hat – und der uns falsche Angaben zu seiner Identität gemacht hat, von dem wir also weder Namen noch Adresse noch Telefonnummer haben?

Thomas Mannstaedt, der den falschen Handwerker eingesetzt hat, wähnt sich offenbar befreit von jeder Haftung. Dass Menschen mit seiner Hilfe ganz böse über den Tisch gezogen wurden, scheint ihm egal zu sein.

Der Callcenter-Betreiber – ein Wohltäter?

In seinen Antwort-Mails widmet er sich sodann, das lässt tief blicken, ungefragt und auch ungewöhnlich ausführlich der Selbstbeweihräucherung. „Wir sind ein Betrieb, der den Menschen hilft, wenn sie in Not sind“, schreibt er. Seine Firma spende für wohltätige Organisationen und versuche, die Abläufe und Dienstleistungen in Deutschland zu verbessern. Mannstaedt scheint es wirklich ernst zu meinen: „Wir helfen den Menschen in Deutschland, geben vielen Menschen Arbeit und Ausbildung und bringen die Firmen und die Menschen dort zusammen, wo es wichtig ist und gute Dienstleistungen oft Mangelware sind.“

Thomas Mannstaedt – ein Wohltäter? Dem man mit Kritik an seinem Geschäftsmodell großes Unrecht antut? So sieht er es offenbar: Es seien Berichte erschienen, schreibt er, „die den Ruf unserer Firma beschmutzen“. Doch das werde er sich nicht länger bieten lassen: Er gehe jetzt „gegen diese Art von Rufmord“ vor, schon in Kürze würden „einige Falschdarstellungen über unsere Firma im Internet berichtigt bzw. gelöscht werden müssen“.

Und dann hat er noch für den kritischen Fragesteller einen Extra-Hinweis parat. Es klingt wie eine Drohung:

„Ich werde überprüfen lassen ob Sie tatsächlich eine unwahre Berichterstattung über uns getätigt haben. Wenn ja, dann lass ich Sie verklagen.“ Und einmal in Rage, schießt er, nach mehr als 600 Worten in seinen zwei Mails, diesen abschließenden Satz ab:

„Solchen Menschen wie Ihnen werde ich nur noch über unseren Firmenanwalt Auskunft geben.“

Wettbewerbszentrale bereitet Klagen vor

Mannstaedt und die Justiz, das könnte fürwahr noch ein spannendes Kapitel geben. Die Handwerkskammer Regensburg wirft dem Unternehmer ganz offen „dubioses Geschäftsgebaren vor“: Sie will Beschwerden aus ganz Deutschland bekommen haben.

Deutlicher formuliert Gerhard Gröschl: Der Obermeister der Elektro-Innung Regensburg warnt ausdrücklich vor den Unternehmen des Thomas Mannstaedt. Er spricht von „Abzocke“ und auch von „menschlichen Tragödien“, wenn zum Beispiel Rentnern Hunderte Euro für simple Dienstleistungen abverlangt würden. O-Ton Gröschl: „Es ist eine Schande, dass dieses Unternehmen so lange unbehelligt seine nach meiner Meinung unlauteren Praktiken fortsetzen kann.“

Aber vielleicht kommt jetzt ja Schwung in die Sache:

„Wir haben eine förmliche Abmahnung ausgesprochen und das Unternehmen zur Aufgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert“, sagt Rechtsanwalt Dr. Andreas Ottofülling von der Zentrale zur Bekämpfung des Unlauteren Wettbewerbs (München). Mannstaedt habe nicht reagiert, deshalb bereite man jetzt eine Klage vor – und zwar auch gegen Thomas Mannstaedt persönlich: „Wir nehmen ihn persönlich auf Unterlassung in Anspruch, damit er nicht auf seine verschiedenen oder auf neue Firmen ausweichen kann“, heißt es in München.

Für den fast 80-jährigen Dieter E. kommt, wie für all die anderen Notdienst-Opfer, der juristische Vorstoß zu spät. Über die nächtliche Abzocke habe er sich sehr geärgert, sagt der alte Herr in Monsheim, und natürlich täten die 500 Euro weh. Wichtiger aber sei ihm jetzt, dass das Treiben der dubiosen Firmen endlich gestoppt werde: Möglichst viele Leute müssten erfahren, wie solche Internet-Notdienste wirklich arbeiten.

Und sollten Betroffene in eine ähnliche Not-Situation geraten wie er: Auf keinen Fall, rät Dieter E., sollte man überzogene Forderungen begleichen! „Die sind doch einfach nur unverschämt!

 

Anwalt: Notfalls die Polizei rufen!
Der Berliner Jurist Thomas Hollweck beschäftigt sich mit Verbraucherrecht. Er hat auf seiner Internetseite ausführlich dargestellt, worauf man bei einem Notdienst achten sollte.

Grundsätzlich gilt demnach: Der Handwerker sollte aus der näheren Umgebung kommen. Er sollte eine Webseite mit seinem Namen haben und eine Telefonnummer mit einer entsprechenden Vorwahl angegeben haben. Vorsicht: Telefonnummern können weitergeleitet werden. Deshalb unbedingt ins Impressum schauen, das jede Webseite haben muss: Da muss die richtige Adresse veröffentlicht werden.

Ganz wichtiger Punkt: die Bezahlung. Wurde ein Festpreis ausgemacht oder fordert der Handwerker einen angemessenen Preis, könne man die Rechnung beruhigt in bar bezahlen, so Hollweck. „Lassen Sie sich unbedingt eine Quittung über den bezahlten Betrag geben.“ Der Anwalt schreibt weiter: „Sie müssen aber keine Barzahlung leisten, wenn Sie das nicht möchten. Kein Handwerker darf Sie dazu nötigen, sofort nach erledigter Arbeit die Bezahlung in bar zu verlangen.“ Das sei unüblich und unseriös und müsse vom Kunden nicht akzeptiert werden: „Sie haben ein Recht auf Rechnungsausstellung, damit Sie diese in Ruhe überprüfen können.“

Besteht der Handwerker auf Barzahlung seiner überhöhten Forderung, sollte man die Polizei hinzuziehen. „Da es sich in einem solchen Fall möglicherweise um versuchten Betrug handelt, ist ein Hinzuziehen der Polizei rechtmäßig. Zudem empfehle ich auch in solchen Fällen, überhaupt keine Anzahlung in bar zu leisten.“

Der ganze Artikel von Rechtsanwalt Thomas Hollweck ist auf seiner Webseite nachzulesen.

Ex-Polizist bekommt 60.000 Euro vom Freistaat

 Der Fall ist entschieden, nach zehn Jahren können die Akten geschlossen werden: 60.000 Euro erhält ein früherer Augsburger Polizeibeamter vom Freistaat Bayern. Es ist die Entschädigung dafür, dass er zu Unrecht der Bestechlichkeit beschuldigt und so lange inhaftiert worden war, bis er seinen Dienst bei der Polizei quittiert hatte.

Der Polizei-Skandal hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt: Manfred D. war lange Jahre Spezialist für Funktechnik beim Mobilen Einsatzkommando in Augsburg gewesen. 2007 wurde er nach monatelangen internen Ermittlungen verhaftet; der Vorwurf: Er habe sich von einem hessischen Unternehmer, der technische Geräte an die bayerische Polizei lieferte, bestechen lassen. Der Staatsanwalt soll damals gesagt haben, Manfred D. komme erst dann wieder aus dem Gefängnis heraus, wenn er den Polizeidienst quittiere. Daraufhin brach der Mann zusammen und unterzeichnete sein Entlassungsgesuch.

In erster Instanz wurde er 2011 wegen Bestechlichkeit vom Amtsgericht Augsburg zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. 2012 aber stellte sich im Berufungsverfahren vor dem Landgericht heraus, dass die Vorgesetzten von Manfred D. in der Augsburger Polizeibehörde entlastende Unterlagen zurückgehalten hatten. Noch am nächsten Tag wurde der Mann umfassend von allen Vorwürfen freigesprochen. Da war es jedoch zu spät: Seinen Job bei der Polizeibehörde war er los.

Deshalb klagte er auf Schadensersatz. In einer Verhandlung vor dem Augsburger Landgericht Anfang Mai dieses Jahres deutete der Richter an, dass er durchaus eine Verletzung der Fürsorgepflicht auf Seiten der Polizeibehörde sehe. Er nannte auch einen Betrag für eine Entschädigung: 100.000 Euro. Die Vertreter des Freistaats kündigten an, dass sie ein solches Urteil nicht akzeptieren und in Berufung gehen würden.

Jetzt der Vergleich: 60.000 Euro bekommt Manfred D., außerdem trägt der Freistaat 60 Prozent der Verfahrenskosten. „Das ist eine nicht nur für Bayern bemerkenswerte Beendigung eines juristischen Verfahrens“, sagte der Anwalt von Manfred D., der Frankfurter Verwaltungsrechtler Harald W. Nolte. Er wertet den Vergleich als „die späte Rehabilitation für einen aus dem Dienst gedrängten Polizeibeamten“.

Manfred D. sagte, die 60.000 Euro seien für ihn nicht nur Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht. „Wichtiger ist für mich, dass vom Gericht eine eindeutige Botschaft an die Polizeibehörde ausging: So behandelt man Menschen einfach nicht.“ Zehn Jahre seien jetzt seit seiner Verhaftung vergangen: „Ich bin einfach nur glücklich, dass alles vorbei ist.

(Aktenzeichen des Vergleichsbeschlusses: Landgericht Augsburg 34 O 4371/15)

Ende eines Polizisten-Traums

Polizeiskandal in Augsburg: Ein MEK-Beamter wird wegen Bestechlichkeit verhaftet und eingesperrt; der Staatsanwalt lässt ihn  wissen, er komme erst wieder frei, wenn er den Polizeidienst quittiere. In seiner Verzweiflung reicht der Mann sein Entlassungsgesuch ein, und tatsächlich wird er später zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Doch dann kommt, durch puren Zufall, heraus: Der Beamte war unschuldig. Die Polizeibehörde hatte Unterlagen, die ihn entlasteten, jahrelang unter Verschluss gehalten. Und nun?
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Der Deal der Geheimagenten

Ein Frankfurter Luxus-Hotel als Schauplatz eines hochkriminellen Deals: Hier verkaufte ein ehemaliger Schweizer Bank-Mitarbeiter für mehr als 100.000 Euro die Kontodaten von tausenden Privatleuten, darunter auch die Finanzunterlagen des früheren Präsidenten des deutschen Geheimdienstes BND. Inzwischen beschäftigt der Fall die Staatsanwaltschaft. Unterlagen, die dieser Zeitung vorliegen, beweisen nicht nur, dass mit vertraulichen Bankdaten offenbar ein schwunghafter Handel betrieben wird. Sie geben zugleich Einblick in die Dunkelwelt privater Geheimagenten, die am Rande der Legalität operieren – vermutlich auch im Dienste großer Geldhäuser.

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Unter falschem Verdacht

Neues Kapitel in der Affäre um einen Kronzeugen des LKA Hessen: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen einen Kriminalbeamten, der dieser Zeitung geheime Infos zugespielt haben soll. Das Telefon des Mannes wurde abgehört, er wurde vom Dienst suspendiert, er musste seine Waffe abgeben, er bekam Hausverbot. Es handelt sich um einen Justizirrtum; der Behörde droht jetzt eine teure Schadenersatzklage.

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Serie, Teil 4: Der letzte Trumpf des LKA

Er hat mit den Beamten des LKA Hessen zusammengearbeitet, hat sie (…) mit Infos versorgt und als Kronzeuge bei der Vorbereitung der Vereinsverbote gegen die Hells Angels unterstützt. Er hat dafür Geld bekommen, viel Geld – mit Dankbarkeit durfte er da wohl nicht mehr rechnen. Am Ende schoben sie ihn nach Israel ab, mit einem ganz billigen Trick.

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Serie, Teil 3: Schlamperei im Amt

Daniell M.-D., der (…) Kronzeuge der hessischen Polizei gegen die Hells Angels, erzählte bisher vor allem über seine Erfahrungen mit dem hessischen Landeskriminalamt. Aber er erhebt auch schwere Vorwurfe gegen die Zeugenschützer aus Mainz: Sie würden durch Nachlässigkeit Zeugen unnötig in zusätzliche Gefahr bringen.

Frankfurt/Mainz. Zeugenschutz ist eine hochsensible Angelegenheit. Menschen, die in Gefahr sind, weil sie zum Beispiel als Zeuge gegen Schwerkriminelle aussagen, wird teilweise sehr weitreichender Schutz geboten. Rechtliche Grundlage dafür ist das Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetz; für die praktische Umsetzung sorgen speziell geschulte Beamte: Sie betreuen die Zeugen rund um die Uhr, verhelfen ihnen bei Bedarf zu einer neuen Identität, besorgen ihnen eine Wohnung, einen neuen Job…

Auch die Zeugenschützer selbst geben sich Tarnnamen – zu ihrem eigenen Schutz, aber vor allem soll das den Zeugen mehr Sicherheit bieten.

Grundsätzlich gilt: Je mehr Details über die Arbeit der Zeugenschützer bekannt werden, desto gefährlicher ist es für die Zeugen.

Soweit die Theorie.

Daniell M.-D., der Kronzeuge der hessischen Polizei gegen die Hells Angels, wurde vom Zeugenschutzdezernat Mainz betreut. Die Abteilung gehört zum LKA Rheinland-Pfalz, sie untersteht Erwin Owtscharenko. Der Kronzeuge aus Hessen erhebt heute schwere Vorwürfe gegen das Dezernat: Die Beamten hätten elementare Regeln der Geheimhaltung missachtet, sie würden damit Zeugen unmittelbar gefährden. Dass sie Dienstwagen für Privatfahrten einsetzten, dass sie am liebsten mittags zu ihm kamen, um die eigene Bewirtung dienstlich absetzen zu können, das sind da nur noch Randnotizen.

Daniell M.-D. sagt, er habe binnen weniger Wochen die Klarnamen mehrerer Zeugenschützer erfahren. „Die haben einfach nicht aufgepasst.“ Schlampige Arbeitsweise hätte vertrauliche Informationen offen zugänglich gemacht.

Da ist zum Beispiel „Melanie Maus“. Das ist ihr Tarnname. Die Polizeibeamtin habe regelmäßig Dienstwagen für Privatfahrten genutzt, sagt Daniell M.-D., und eines Tages, als sie ihn zu einer Vernehmung nach Wiesbaden brachte, erzählte sie, sie sei gerade beim Röntgen gewesen, habe die Aufnahmen hinten im Auto.

Auf der Rückfahrt habe er seine Jacke in den Kofferraum gelegt, dabei die Arztdokumente gesehen: Natürlich stand ihr echter Name darauf. Melanie heißt sie wirklich mit Vornamen, ihren Nachnamen wollen wir hier nicht verraten. Melanie sollte nur wissen: Sie ist enttarnt. Nach der Logik des Zeugenschutzes ist jetzt nicht nur sie selbst gefährdet. In Gefahr sind auch und vor allem die von ihr betreuten Zeugen.

Und dann erzählt Daniell M.-D. eine Geschichte, die so unglaublich klingt, dass kaum denkbar ist, dass er sie ausgedacht haben könnte:

Während seines Irland-Aufenthalts sei er zu einer Vernehmung eingeflogen worden. Am Flughafen Frankfurt-Hahn habe, wie abgesprochen, ein Leihwagen für ihn bereitgestanden. Auf der Fahrt zu seiner Wohnung in Bad Kreuznach habe in dem Auto plötzlich ein Handy geklingelt. „Es lag zwischen den Sitzen. Offenbar hatte es jemand vergessen.“ Er sah nach: Es war das Handy von Chefzeugenschützer Owtscharenko.

Daniell M.-D. weiter: „Da waren alle Daten drin: Adressen und Telefonnummern von Zeugenschützern, von Polizeibeamten – und auch von gefährdeten Zeugen.“ Er habe sich die Daten kopiert, „sicherheitshalber“, sagt er, man wisse ja nie, wozu man die brauchen könne. Dann habe er Owtscharenko angerufen. Der sei sofort gekommen, habe sich das Telefon abgeholt.

Erwin Owtscharenko nennt sich im Dienst – auch das ist jetzt kein Geheimnis mehr – „Wilhelm Baumann“ oder „Ferdinand Berger“. Unter diesen Tarnnamen, sagt Daniell M.-D., habe ihm der Chefzeugenschützer regelmäßig Geld überwiesen. Die Namen hätten auf den Bankbelegen gestanden.

Im übrigen sei seine Post – wie auch die des ganzen Dezernates – unter den Namen „Baumann“ und „Berger“ abgewickelt worden. Dafür habe das Dezernat geheime Brief kästen eingerichtet – unter der Adresse, auf der auch seine Tarnpersonalien angemeldet wurden.

Eine Überprüfung dieser Angaben ergab: Daniell M.-D. sagt die Wahrheit. Dokumente, die dieser Zeitung vorliegen, verraten die Namen der Zeugenschützer. Und wir finden auch, im Mehrfamilienhaus an der Sophie-Cahn-Straße 3 in Mainz, die geheimen Briefkästen der Zeugenschützer. Einer ist mit „Wilhelm Baumann“ ausgeschildert, der benachbarte mit „Ferdinand Berger“. Dabei leben diese Herrschaften offensichtlich nicht in dem Haus. Wer genauer hinschaut, sieht sofort: Die Namen Baumann und Berger fehlen auf den Klingelschildern. Das wurde von den Zeugenschützern wohl vergessen…

Dagmar Meyer, Sprecherin des LKA Mainz, versuchte gestern, die Aussagen des Kronzeugen herunterzuspielen. Es sei bekannt, dass sich die Zeugenschützerin „Melanie“ selbst enttarnt habe, das sei „Anlass für eine interne Nachbereitung“ gewesen. Eine Gefährdung für die Beamtin werde nicht gesehen, auch nicht für andere Schutzpersonen.

Die Sache mit dem verlorenen Handy war offenbar noch nicht bekannt. Alle Handys seien PIN-gesichert, sagt Meyer. Hätte ein Zeuge darauf Zugriff, „würde das keine Sicherheitslücken nach sich ziehen“. Es sei auch „nicht erinnerlich“, dass ein Handy längere Zeit in den Händen des Zeugen gewesen sei.

Und die Sache mit den Tarnnamen von Erwin Owtscharenko: „Diese Namen erschienen natürlich auf dem Kontoauszug des Empfängers.“ Sie würden selbstverständlich nicht weiter benutzt.

Erschienen in der FNP am 07.02.2013