Der alte Mann und die Abzocker vom Notdienst

Ein älterer Herr aus Rheinhessen ist Opfer von angeblichen Notdienst-Handwerkern geworden. Weil das, was ihm widerfahren ist, jederzeit jedem von uns passieren könnte, hat er sich gemeldet und gebeten, dass wir seine Geschichte veröffentlichen. Das tun wir gerne – zumal wir dem Hintermann der üblen Abzocke auf die Spur gekommen sind: Jetzt endlich wird gegen ihn vorgegangen!

Dieter E. ist in seinem Berufsleben Architekt und Diplom-Bauingenieur gewesen, er ist jetzt 79 Jahre alt und lebt mit seiner Frau im rheinhessischen Monsheim. In der 2500-Seelen-Gemeinde rechnet kein Mensch damit, von einem Handwerker über den Tisch gezogen zu werden. Und wenn man dann auch noch „vom Fach“ ist, wenn man in seinem Leben so viel Erfahrung, Wissen und Kenntnisse angesammelt hat wie Dieter E., dann müsste ein dreistes Betrugsmanöver eigentlich ausgehen wie das Hornberger Schießen.

Müsste. Eigentlich. Doch es gehört zum Wesen jeglicher Gaunerei, dass die Unbedarftheit und Gutgläubigkeit von Menschen kaltherzig ausgenutzt wird. Besonders perfide agieren Täter, die sich mit dem Mantel der Hilfsbereitschaft tarnen. Gier ist ihre Triebfeder, Gerissenheit das Tatwerkzeug – so plündern sie in Not geratene Menschen, immer wieder, wie auch in unserem Fall:

„In einer von uns vermieteten Wohnung – die Bewohner waren gerade nicht da – hatte es abends einen Rohrbruch gegeben“, erzählt Dieter E. Eine Nachbarin habe sofort den Haupthahn zugedreht und ihn informiert. „Ich bat sie, einen Notdienst zu rufen, damit das Rohr zumindest notdürftig geflickt und das Wasser wieder angestellt werden könne.“

Bild zum Vergrößern anklicken: Diese Internetseite verspricht einen  Klempnerservice aus Monsheim. Dahinter steckt ein Callcenter in Regensburg!

Die Nachbarin googlete im Internet mit nahe liegenden Begriffen: Klempner, Notdienst, Monsheim… Sie glaubte erwarten zu können, ihr würden Klempner-Notdienste aus der Umgebung angezeigt.

Aber Sie ahnen ja gar nicht, wie viele Notdienste im Internet vorgeben, in Monsheim zu sitzen! Das Phänomen finden Sie übrigens überall, testen Sie es ruhig mal: Sie werden überrascht sein, wie viele Notdienste auch in Ihrem Wohnort ansässig zu sein vorgeben!

Die Nachbarin öffnete eine der Notdienst-Seiten und rief die groß angezeigte Telefonnummer an. Natürlich könne man ihr helfen, sagte eine nette Dame am anderen Ende der Leitung, es werde drei bis vier Stunden dauern, mehr könne sie am Telefon allerdings nicht sagen: Wie lange die Reparatur dauern und was sie kosten würde, das könnten nur die Handwerker beurteilen, die gleich kommen würden, ganz bestimmt….

Handwerker wirkten plötzlich bedrohlich

Sie kamen gegen 22 Uhr: Zwei Männer in einem weißen BMW mit Ludwigshafener Kennzeichen (LU-KJ 9xx – die Zahlen sind bekannt, die Polizei weiß inzwischen Bescheid ;-).

Die Männer hatten das Rohr binnen Minuten abgedichtet, ihr Einsatz dauerte keine 20 Minuten. Das war’s schon.

Und dann präsentierten sie ihre Rechnung:

Einsatzpauschale: 249,90 Euro.

An- und Abfahrt: 49 Euro.

Arbeitszeit, zwei Einheiten a 15 Minuten zu je 49,90 Euro: 99,80 Euro.

Plus zwei Wasserverschlüsse für zusammen 17,98.

Ergibt 416,68 Euro.

19 Prozent Mehrwertsteuer kommen noch oben drauf:

Macht zusammen 495,84 Euro.

Die „Rechnung“, die die angeblichen Handwerker zurückließen.

Es war fast Mitternacht, der 79-Jährige Dieter E. war längst müde – und jetzt auch geschockt: „Ich wollte es nicht glauben! 500 Euro für 20 Minuten Arbeit! Ich hatte gar nicht so viel Geld dabei! 300 Euro hatte ich eingesteckt. Ich gab den Männern das Geld und wollte den Rest überweisen. Aber sie verlangten die ganze Summe, sofort, in bar.“

Dieter E. sagt, normalerweise hätte er in so einer Situation die Polizei gerufen. Aber es sei schon so spät gewesen, die beiden Männer hätten einen bedrohlichen Eindruck gemacht, und weil seine Frau dabei gewesen sei, habe er keinen Ärger provozieren wollen. Er sei mit den Männern zum nächsten Geldautomaten gefahren und habe ihnen das Geld gegeben.

Eine Rechnung hat er, wie gewünscht, ausgehändigt bekommen. Eine Rechnung? Es ist eher ein Schmierzettel: „MAB 24 STD Notdienst“ steht obendrüber, und als Firmensitz ist Vorstadt 13 in der hessischen Stadt Hanau angegeben – mehr als 110 Kilometer von Monsheim entfernt.

In ganz Hanau gibt’s keinen Betrieb mit dem angegebenen Namen. Die dortige Kreishandwerkerschaft teilte inzwischen mit: „Weder unter dem Firmennamen noch unter der genannten Anschrift konnte eine Eintragung in der Handwerksrolle festgestellt werden.“ Man habe deshalb bei der zuständigen Kreisverwaltung in Gelnhausen Strafanzeige wegen Schwarzarbeit erstattet.

Womit sich natürlich jetzt diese Frage stellt: Zwei angebliche Handwerker, die vielleicht gar keine sind, und die vorgeblich für eine hessische Firma arbeiten, die es definitiv nicht gibt – woher wussten die eigentlich von einem Wasserschaden zu nächtlicher Stunde im rheinhessischen Monsheim?

Der Drahtzieher sitzt in Regensburg

Damit nähern wir uns dem wahren Übeltäter, dem Drahtzieher hinter dem schnellen Geschäft mit der Not anderer Leute: Als die Nachbarin im Internet einen Notdienst suchte, fand sie eine Webseite, die einen Notdienst in Monsheim vorgaukelte und schnelle, unkomplizierte Hilfe versprach: Rufen Sie einfach an!

Die Wahrheit aber ist: Sie hatte eine Vermittlungsagentur angerufen, die ihren Sitz in Regensburg hat. Das Büro dort ist von Monsheim rund 360 Kilometer entfernt und selbst mit einem schnellen Auto bestenfalls in vier Stunden zu erreichen.

Unsere Recherchen ergaben: Die bayerische Bischofsstadt hat sich in den letzten Jahren zu einem Zentrum bundesweiter Notdienst-Abzocke entwickelt. Der Drahtzieher im Hintergrund heißt Thomas Mannstaedt. Er betreibt gleich mehrere Firmen, sie heißen „M&S Auftragsvermittlung GmbH“, „DFH Sicherheitstechnik GmbH“, „DHE Technik GmbH“, „Der Sicherheitsprofi“ – um nur einige zu nennen.

Diese Mannstaedt-Firma nennt sich DHE, was für „Der Handwerker Engel“ stehen soll. 

Mannstaedt scheint beim Entwerfen neuer Firmennamen von einem schrägen Humor geleitet zu werden: Abkürzungen wie „DFH“ und „DHE“ stehen für „Der freundliche Handwerker“ bzw. „Der Handwerker Engel“. Notdienst-Opfer werden also mit seiner Hilfe nicht nur ausgenommen. Sie sollen sich offensichtlich auch noch verhöhnt vorkommen…

Fast jede der Mannstaedt-Firmen betreibt zahlreiche Webseiten im Internet, mit denen Dienstleistungen für alle möglichen Notfälle angeboten werden. Die Seiten heißen beispielsweise sanitaernotdienst-24.de, elektriker-24std.de, der-aufsperrdienst.de, kammerjaeger-1a.de, schimmelentfernen24.de usw. usf. Sie sind alle ähnlich gestaltet: Stets wird im oberen Bereich der Webseite eine große Telefonnummer („Kostenlose Servicenummer“) gezeigt, umgeben von Schlagworten: Schnell. Seriös. Preiswert.

Dutzende Webseiten versprechen schnelle Hilfe

Auch diese Notdienst-Seite von Thomas Mannstaedt erweckt den Eindruck, sie stamme von einer Handwerksfirma aus der Nähe.

Wir haben, beim schnellen Googlen, mehr als zwanzig solcher Notdienst-Webseiten gefunden, die allesamt von Thomas Mannstaedt über seine diversen Firmen betrieben werden. Ganz egal, ob es sich um Türöffnung, Rohrbruch, Schimmelbeseitigung oder Kammerjäger handelt – die Masche funktioniert in allen Fällen gleich:

Die Webseiten sind oft so programmiert, dass der Eindruck erweckt wird, der Notdienst befinde sich ganz in der Nähe des Anrufers.

Unter einer groß herausgestellten Telefonnummer – in der Regel ist nur eine Handynummer angegeben – meldet sich aber kein Handwerksbetrieb. Sondern lediglich ein Callcenter.

Das Geschäft von Thomas Mannstaedt ist also mitnichten die schnelle Hilfe. Es ist die Vermittlung von Dienstleistungen. Sein Callcenter hat Adressen von Handwerkern (und solchen, die sich dafür ausgeben) gespeichert. An die werden Notdienst-Aufträge weitergereicht – gegen eine Provision, die teilweise mehr als 50 Prozent des Entgelts ausmachen soll.

Einschlägige Foren im Internet sind voll von Beschwerden. In erster Linie empören sich die Leute natürlich über die viel zu hohen Kosten: „Wucher!“ heißt es immer wieder. Auch wird beklagt, dass die angeblichen Handwerker gar nicht existierten, falsche Adressen angegeben hätten und falsche Telefonnummern – wie in unserem Monsheimer Fall.

Bei Beschwerden gibt’s keine Hilfe

Ein Schlüsselnotdienst in Monsheim? Nein, ein Blick ins Impressum verrät: Hinter dieser Webseite steckt Thomas Mannstaedt aus Regensburg.

Wir haben Thomas Mannstaedt etliche Fragen zugeschickt. In zwei Mails antwortete er, allerdings überging er die meisten Fragen. Vielmehr versucht er, sich und seine Unternehmen in ein positives Licht zu rücken. Und ganz unverhohlen droht er dem Fragesteller.

Er könne nicht „für über 500 Firmen haften, für die wir als Callcenter und Auftragsannahme arbeiten“, schreibt er. Die meisten der Firmen „sind noch nie auffällig geworden. Leider haben wir es versäumt positive Publicity zu betreiben, so dass nur die Fälle im Internet erscheinen, die unzufrieden sind“.

Es sei in der Tat „zu Vorfällen gekommen, die wir gerne vermieden hätten“. Und leider werde es immer wieder Vorfälle geben, „auf die wir erst reagieren können, wenn sie passiert sind“.

Interessante Auskünfte. Mit 500 Firmen arbeitet Mannstaedt demnach zusammen: Diese Zahl ist neu, und sie ist auch beachtlich – wenn sie denn wahr ist.

Mit seinem Reagieren auf Beschwerden aber ist das so eine Sache: Glaubt man den vielen Klagen in den Internetforen, dann werden Opfer von Notdienst-Handwerkern im Mannstaedt-Callcenter mit lapidaren Ausflüchten abgewimmelt: Man sei nur Vermittler; bei Problemen mit den Handwerkern müsse man sich direkt an diese wenden – oder ans Gericht.

Genauso lautet eine seiner Antworten auf unsere Fragen zum konkreten Monsheimer Fall. Mannstaedt schreibt: „Sofern eine angeblich nicht existierende Firma einen Auftrag ausgeführt hat, müssen Sie Anzeige erstatten, weil diese Handwerker anscheinend Steuerhinterziehung betreiben.“

Das soll wohl ein Scherz sein, oder? Wie sollen wir einen Handwerker anzeigen, den er uns geschickt hat – und der uns falsche Angaben zu seiner Identität gemacht hat, von dem wir also weder Namen noch Adresse noch Telefonnummer haben?

Thomas Mannstaedt, der den falschen Handwerker eingesetzt hat, wähnt sich offenbar befreit von jeder Haftung. Dass Menschen mit seiner Hilfe ganz böse über den Tisch gezogen wurden, scheint ihm egal zu sein.

Der Callcenter-Betreiber – ein Wohltäter?

In seinen Antwort-Mails widmet er sich sodann, das lässt tief blicken, ungefragt und auch ungewöhnlich ausführlich der Selbstbeweihräucherung. „Wir sind ein Betrieb, der den Menschen hilft, wenn sie in Not sind“, schreibt er. Seine Firma spende für wohltätige Organisationen und versuche, die Abläufe und Dienstleistungen in Deutschland zu verbessern. Mannstaedt scheint es wirklich ernst zu meinen: „Wir helfen den Menschen in Deutschland, geben vielen Menschen Arbeit und Ausbildung und bringen die Firmen und die Menschen dort zusammen, wo es wichtig ist und gute Dienstleistungen oft Mangelware sind.“

Thomas Mannstaedt – ein Wohltäter? Dem man mit Kritik an seinem Geschäftsmodell großes Unrecht antut? So sieht er es offenbar: Es seien Berichte erschienen, schreibt er, „die den Ruf unserer Firma beschmutzen“. Doch das werde er sich nicht länger bieten lassen: Er gehe jetzt „gegen diese Art von Rufmord“ vor, schon in Kürze würden „einige Falschdarstellungen über unsere Firma im Internet berichtigt bzw. gelöscht werden müssen“.

Und dann hat er noch für den kritischen Fragesteller einen Extra-Hinweis parat. Es klingt wie eine Drohung:

„Ich werde überprüfen lassen ob Sie tatsächlich eine unwahre Berichterstattung über uns getätigt haben. Wenn ja, dann lass ich Sie verklagen.“ Und einmal in Rage, schießt er, nach mehr als 600 Worten in seinen zwei Mails, diesen abschließenden Satz ab:

„Solchen Menschen wie Ihnen werde ich nur noch über unseren Firmenanwalt Auskunft geben.“

Wettbewerbszentrale bereitet Klagen vor

Mannstaedt und die Justiz, das könnte fürwahr noch ein spannendes Kapitel geben. Die Handwerkskammer Regensburg wirft dem Unternehmer ganz offen „dubioses Geschäftsgebaren vor“: Sie will Beschwerden aus ganz Deutschland bekommen haben.

Deutlicher formuliert Gerhard Gröschl: Der Obermeister der Elektro-Innung Regensburg warnt ausdrücklich vor den Unternehmen des Thomas Mannstaedt. Er spricht von „Abzocke“ und auch von „menschlichen Tragödien“, wenn zum Beispiel Rentnern Hunderte Euro für simple Dienstleistungen abverlangt würden. O-Ton Gröschl: „Es ist eine Schande, dass dieses Unternehmen so lange unbehelligt seine nach meiner Meinung unlauteren Praktiken fortsetzen kann.“

Aber vielleicht kommt jetzt ja Schwung in die Sache:

„Wir haben eine förmliche Abmahnung ausgesprochen und das Unternehmen zur Aufgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert“, sagt Rechtsanwalt Dr. Andreas Ottofülling von der Zentrale zur Bekämpfung des Unlauteren Wettbewerbs (München). Mannstaedt habe nicht reagiert, deshalb bereite man jetzt eine Klage vor – und zwar auch gegen Thomas Mannstaedt persönlich: „Wir nehmen ihn persönlich auf Unterlassung in Anspruch, damit er nicht auf seine verschiedenen oder auf neue Firmen ausweichen kann“, heißt es in München.

Für den fast 80-jährigen Dieter E. kommt, wie für all die anderen Notdienst-Opfer, der juristische Vorstoß zu spät. Über die nächtliche Abzocke habe er sich sehr geärgert, sagt der alte Herr in Monsheim, und natürlich täten die 500 Euro weh. Wichtiger aber sei ihm jetzt, dass das Treiben der dubiosen Firmen endlich gestoppt werde: Möglichst viele Leute müssten erfahren, wie solche Internet-Notdienste wirklich arbeiten.

Und sollten Betroffene in eine ähnliche Not-Situation geraten wie er: Auf keinen Fall, rät Dieter E., sollte man überzogene Forderungen begleichen! „Die sind doch einfach nur unverschämt!

 

Anwalt: Notfalls die Polizei rufen!
Der Berliner Jurist Thomas Hollweck beschäftigt sich mit Verbraucherrecht. Er hat auf seiner Internetseite ausführlich dargestellt, worauf man bei einem Notdienst achten sollte.

Grundsätzlich gilt demnach: Der Handwerker sollte aus der näheren Umgebung kommen. Er sollte eine Webseite mit seinem Namen haben und eine Telefonnummer mit einer entsprechenden Vorwahl angegeben haben. Vorsicht: Telefonnummern können weitergeleitet werden. Deshalb unbedingt ins Impressum schauen, das jede Webseite haben muss: Da muss die richtige Adresse veröffentlicht werden.

Ganz wichtiger Punkt: die Bezahlung. Wurde ein Festpreis ausgemacht oder fordert der Handwerker einen angemessenen Preis, könne man die Rechnung beruhigt in bar bezahlen, so Hollweck. „Lassen Sie sich unbedingt eine Quittung über den bezahlten Betrag geben.“ Der Anwalt schreibt weiter: „Sie müssen aber keine Barzahlung leisten, wenn Sie das nicht möchten. Kein Handwerker darf Sie dazu nötigen, sofort nach erledigter Arbeit die Bezahlung in bar zu verlangen.“ Das sei unüblich und unseriös und müsse vom Kunden nicht akzeptiert werden: „Sie haben ein Recht auf Rechnungsausstellung, damit Sie diese in Ruhe überprüfen können.“

Besteht der Handwerker auf Barzahlung seiner überhöhten Forderung, sollte man die Polizei hinzuziehen. „Da es sich in einem solchen Fall möglicherweise um versuchten Betrug handelt, ist ein Hinzuziehen der Polizei rechtmäßig. Zudem empfehle ich auch in solchen Fällen, überhaupt keine Anzahlung in bar zu leisten.“

Der ganze Artikel von Rechtsanwalt Thomas Hollweck ist auf seiner Webseite nachzulesen.

Guntersblum: Kindergärtnerin klagt gegen Ortsbürgermeisterin

Was ist nur in Guntersblum los? Unlängst deckten wir Probleme bei einem geplanten Seniorenheim auf: Die Ortsbürgermeisterin hat sich auf einen undurchsichtig agierenden Investor eingelassen, zugleich droht der Gemeinde eine 100.000-Euro-Klage – das kann richtig teuer werden! Jetzt erfuhren wir: Claudia Bläsius-Wirth hat sich noch weiteren juristischen Ärger eingehandelt! Sie feuerte eine Kindergarten-Helferin – ohne zwingenden Grund, mit fehlerbehaftetem Schreiben, also ziemlich stümperhaft. Der Fall liegt inzwischen vor Gericht, wo die Rathaus-Chefin einen wenig überzeugenden Eindruck hinterließ: Der Gemeinde droht eine unangenehme – und auch hier wohl wieder: teure – Schlappe.

Über 50 Arbeitsverträge von der Gemeinde

Silke S. gilt als beliebt bei Guntersblumer Kindern und Eltern. Jahrelang setzte die Gemeinde die gelernte Bäckerei-Fachverkäuferin als Helferin in der Kindertagesstätte „Spatzennest“ ein, immer wieder nur befristet: Mehr als 50 Arbeitsverträge („Kettenverträge“) wurden der 47-Jährigen in nur wenigen Jahren gegeben. „Die ständige Unsicherheit macht einen auf Dauer fertig“, vertraute sie mal einer Freundin an. „Du weißt nie, was morgen passiert, ob sie dich weiter beschäftigen – oder aussortieren.“

Anfang letzten Jahres war Silke S. sogar wochenlang ganz ohne Vertrag im Einsatz. Der Grund: Schlamperei im Rathaus – man hatte sie schlichtweg vergessen. Da ging sie erst zu einer Rechtsanwältin und dann zur Ortsbürgermeisterin und verlangte, was ihr von Rechts wegen zusteht: die Festeinstellung.

Claudia Bläsius-Wirth kannte die Gesetzeslage. Sie gab Silke S. einen Vertrag: als Teilzeitbeschäftigte, mit 30 Stunden pro Woche, bezahlt nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Und vor allem: unbefristet.

Und nun: Alles gut?

Von wegen!

Der Kindergarten „Spatzennest“ in Guntersblum.

Als Springerin eingesetzt: eine Strafaktion?

Eine „kleine“ Kindergartenhelferin hatte es gewagt, der „großen“ Ortsbürgermeisterin im 3900-Seelen-Dörfchen Guntersblum einen unbefristeten Vertrag abzutrotzen! Das wollte die Rathaus-Chefin, der ihre Kritiker eine „Selbstherrlichkeit im Amte“ vorhalten, offenbar nicht auf sich sitzen lassen: Das vermeintlich unbotmäßige Verhalten der Mitarbeiterin sollte, dieser Verdacht steht heute im Raum, mit aller Härte abgestraft werden.

Zunächst wurde Silke S., kaum hatte sie den unbefristeten Arbeitsvertrag in der Tasche, als „Springerin“ eingesetzt. Heute hier, morgen da – ständig neue Kindergärten, neue Kinder, neue Kollegen. „Wenn man gerne mit Kindern arbeitet, ist so ein Job entwürdigend“, sagt eine Kita-Leiterin (aus Angst vor Rathaus-Repressalien bat sie darum, ihren Namen nicht zu nennen). „Und es ist auch zermürbend: Als Springerin kriegst du keinen richtigen Kontakt zu Kindern und auch nicht zu Eltern, du kannst an keinem Projekt mehr teilnehmen, bist ständig unterwegs…“ Frau Bläsius-Wirth habe das so verlangt, sagt die Kita-Chefin auch: Silke S. habe sich die Festanstellung erschlichen, habe die Ortsbürgermeisterin bei einem Leitungstreffen gesagt, nun müsse sie die Konsequenzen tragen.

Damit nicht genug: Kurz nach Vertragsunterzeichnung zog Claudia Bläsius-Wirth im Rathaus eine Akte aus dem Schrank. Es handelte sich um die so genannte „Fachkräftevereinbarung für Kindertagesstätten“. Die existiert bereits seit 2013, gilt für ganz Rheinland-Pfalz und sieht vor, dass in Kindergärten möglichst nur noch ausgebildete Fachkräfte eingesetzt werden sollen; Ausnahmen sind übrigens, das ist wichtig, ausdrücklich erlaubt!

Eine selbst geschriebene „Maxime“ als Job-Killer

Vier Jahre lang war dieses Schriftstück in Guntersblum nicht beachtet worden – jetzt sollte es plötzlich richtungsweisend sein: Auf Grundlage der sechsseitigen Vereinbarung notierte die Rathaus-Chefin auf einer Din-A-4-Seite ein paar Eckpfeiler, die fortan für die Kita-Arbeit in ihrer Gemeinde gelten sollten. Sie schrieb „Maxime“ obendrüber und unten drunter vier Namen: Sie selbst unterschrieb, außerdem ihre drei Beigeordneten.

Die „Maxime“ des Rathauses, unterschrieben von der Ortsbürgermeisterin und ihren Beigeordneten.

Alle Erzieherinnen, so war da zu lesen, sollten jedes Jahr eine Hospitanz in einem anderen Kindergarten machen. Überstunden seien „in der Regel“ auszuzahlen. Und Erzieherinnen sollten nicht mehr in einem Kindergarten eingesetzt werden, in dem ihr eigens Kind untergebracht ist.

Der zentrale Satz der „Maxime“ steht gleich obenan, er lautet: „Die Kitas arbeiten ausschließlich mit qualifiziertem Personal.“

Mit diesem einen Satz, so muss Claudia Bläsius-Wirth geglaubt haben, habe sie den entscheidenden Hebel in der Hand. Die „Maxime“ als Helferinnen-Killer: Mit diesem Satz könne sie sich der Mitarbeiterin entledigen, die ihr, der Ortsbürgermeisterin, eine Festeinstellung abverlangt habe.

Peinliche Fehler in der Kündigung

Am 17. Mai dieses Jahres war der Tag gekommen: Die Rathaus-Chefin übergab das Kündigungsschreiben an Silke S. – fristgerecht, wie sie glaubte, zum 30. Juni. Dummerweise hieß es in dem Schreiben, der Personalrat habe zugestimmt. Das war, ganz schön peinlich, natürlich falsch: Der Personalrat hatte die Kündigung lediglich zur Kenntnis genommen. Die Ortsbürgermeisterin schrieb, als der Fehler bemerkt wurde, flugs eine neue Kündigung, fuhr abends persönlich am Haus von Silke S. vorbei und warf das Schreiben in deren Briefkasten.

Es ist vermutlich noch ein zweiter Fehler passiert: Frau S. arbeite seit Juli 2013 für die Gemeinde, also noch keine fünf Jahre, weshalb die Kündigungsfrist nur sechs Wochen betrage – so argumentiert die Rathaus-Chefin heute. Doch ist wirklich wahr, was sie da behauptet?

Auf allen Personalpapieren von Silke S. – die meisten liegen bei der VG-Verwaltung, wir haben diverse einsehen können – wird der 4. Februar 2013 als Eintrittsdatum genannt: Demnach arbeitet die Helferin schon mehr als fünf Jahre für die Gemeinde. Und damit beträgt ihre Kündigungsfrist laut Tarifvertrag drei Monate.

Das Rathaus in Guntersblum – es liegt direkt neben der katholischen Kirche.

Solche „Petitessen“, die Rückschlüsse auf die Qualität der Verwaltungsarbeit im Guntersblumer Rathaus erlauben, blieben außen vor, als der Fall jetzt vorm Arbeitsgericht in Mainz landete. Claudia Bläsius-Wirth musste erscheinen, ihr zur Seite standen eine Mitarbeiterin der Verbandsgemeinde sowie eine Rechtsanwältin vom Kommunalen Arbeitgeberverband.

War die Lokalzeitung, bekannt für obrigkeitszentrierte Berichterstattung, über diesen Termin nicht informiert worden? Oder war ihr das Thema zu heikel? Jedenfalls war kein AZ-Reporter im Gerichtssaal anwesend. Bisher ist noch keine Zeile darüber in der Zeitung zu lesen gewesen. Das Thema wurde unter Verschluss gehalten – bis heute. 

Anwältin: Kündigung war Maßregelung

Auf der Kläger-Seite saß Silke S. mit ihrer Mainzer Rechtsanwältin Verena Schnatterer. Die gilt als erfahrene Arbeitsrechtlerin, und sie redete Klartext: Im Februar 2017 habe Silke S. ihren unbefristeten Vertrag verlangt und bekommen. Unmittelbar danach, im März 2017, habe die Ortsbürgermeisterin mit der Erarbeitung ihrer „Maxime“ begonnen, und zwar auf Grundlage einer vier Jahre alten Fachkräftevereinbarung. Für die Juristin war es eindeutig: „Diese Kündigung war eine reine Maßregelung.“

Es gibt darüber hinaus eine zentrale Schwachstelle in der Argumentation der Ortsbürgermeisterin, die von der Richterin sofort erkannt und schonungslos aufgedeckt wurde: Es arbeitet mindestens eine weitere Nicht-Fachkraft in Guntersblumer Kindergärten. Warum wurde diese Helferin nicht ebenfalls entlassen, wenn man in der Gemeinde doch nur noch Fachkräfte zu den Kindern lassen will?

Claudia Bläsius-Wirth,  die selbst unter Parteifreunden als beratungsresistent gilt, sagte vor Gericht, man habe eine „Sozialauswahl“ getroffen. Die zweite Helferin sei alleinerziehend, deshalb wolle man sie weiterhin beschäftigen.

Die CDU-Ortsbürgermeisterin musste sich daraufhin mehrmals von der Richterin sagen lassen: Natürlich habe ein Arbeitgeber das Recht, die grundsätzliche Qualifikation seiner Mitarbeiter festzulegen. Aber das gelte dann für alle, könne nicht zu beliebigen Einzelfall-Entscheidungen führen. Die Richterin sprach von „Schlangenlinien“ der Gemeinde: „Das sehe ich sehr skeptisch.“

Personal-Kuddelmuddel in Kindergärten

Kleiner Einschub: Die zweite Kita-Helferin soll unmittelbar nach der Festanstellung von Silke S. erst zu einem Rechtsanwalt und dann ins Rathaus gegangen sein und von der Bürgermeisterin ebenfalls einen unbefristeten Vertrag gefordert haben. Diese Helferin hatte zuvor bereits mehr als 100 (in Worten: einhundert!) befristete Arbeitsverträge von der Gemeinde bekommen.

Claudia Bläsius-Wirth, so berichten Kita-Leiterinnen, habe der Festanstellung dieser Mitarbeiterin nach längerem Zögern zugestimmt – aber nur für zehn Wochenstunden. Davon kann eine alleinerziehende Mutter natürlich nicht leben. Kompromiss: Weitere 20 Stunden werde die Frau heute über den Vertretungspool der Verbandsgemeinde eingesetzt, heißt es. Und von dort werde sie seither, obwohl „nur“ Helferin, regelmäßig in Guntersblumer Kitas eingesetzt…

Claudia Schaad, die bei der Verwaltung der Verbandsgemeinde für Kita-Personalthemen zuständig zeichnet, will sich zu diesem personellen Kuddelmuddel nicht äußern. Wenn eine Ortsgemeinde eine „Maxime“ aufstelle, wonach in Kindergärten nur noch qualifiziertes Personal arbeiten dürfe, sei das Sache der Ortsgemeinde. 

Frage: Wie ist das in den anderen Orten der Verbandsgemeinde geregelt? Gibt’s da „Maximen“? Frau Schaad: „Da müssen Sie schon in den Orten nachfragen.“

Frau Schaad gibt sich sehr zugeknöpft, die Fragen scheinen ihr nicht zu behagen. Noch ein Versuch: Wie ist es zu bewerten, dass Helferinnen über den Vertretungspool in eine Gemeinde geschickt werden, die – wie Guntersblum – den Kindern keine Helferinnen mehr zumuten möchten? „Das ist Sache der Ortsgemeinde“, sagt Frau Schaad, „dazu müssen Sie die Ortsbürgermeisterin befragen“.

Liebe teure Leiharbeiter statt erfahrene Helferinnen?

Einschub 2: Es meldeten sich nach dem Gerichtstermin mehrere Guntersblumer Erzieherinnen beim Autor dieser Berichts: Claudia Bläsius-Wirth würde sich ständig in die Kindergartenarbeit einmischen, sagten sie, das sei längst unerträglich. Die „Maxime“ sei allein von der Ortsbürgermeisterin und den Beigeordneten unterzeichnet worden: „Wir Kindergarten-Mitarbeiter haben das Papier nur bekommen.“ Mitreden, soll das wohl heißen, sei nicht erwünscht gewesen.

Die Entlassung einer Helferin, sagen die Erzieherinnen unisono, sei auch  sonst in keiner Weise nachvollziehbar: Silke S., die doch an Fortbildungslehrgängen teilgenommen und sich in 160 Unterrichtsstunden zur Tagespflege für Kinder qualifiziert hat, habe stets gute Arbeit geleistet: „Das kann doch nicht plötzlich alles falsch gewesen sein!“

Auch herrsche längst bedrohlicher Personal-Engpass in den Kitas. Ohne die Helferinnen müsse man künftig noch häufiger Aushilfen aus dem Vertretungspool der Verbandsgemeinde oder über Zeitarbeitsfirmen anfordern: „Häufig werden uns dann Nicht-Fachkräfte geschickt“, sagt eine Erzieherin. Die seien nicht nur wesentlich teurer.  „Die haben oftmals den echten Nachteil, dass sie sich überhaupt nicht auskennen.“

Das Schweigen der Ortsbürgermeisterin ist beredt

Es soll noch einen weiteren Fall geben, in dem eine Kita-Mitarbeiterin  unlängst juristische Hilfe in Anspruch nehmen musste: Eine Leitungskraft sei von Claudia Bläsius-Wirth „strafversetzt“ worden, weil ihr Mann – so wird erzählt – einen Rathaus kritischen Post auf Facebook veröffentlicht habe. Monatelang sei daraufhin ein Kindergarten ganz ohne Führung gewesen.

Wir hätten Claudia Bläsius-Wirth zu alledem gerne befragt: Was ist los in Guntersblums Kindergärten? Und was ist das für eine Rathaus-Personalpolitik, die Mitarbeiterinnen dazu zwingt, sich Rat und Hilfe bei Juristen zu suchen?

Wir wollten auch fragen: Was denkt sich eine Ortsbürgermeisterin – eine christdemokratische zumal – dabei, wenn sie Mitarbeiterinnen über Jahre hinweg immer wieder nur befristete Kettenverträge gibt? Und warum sortiert sie langjährige Helferinnen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen und offenbar stets gut mit den Kindern gearbeitet haben, nun kurzerhand auf derart ruppige Weise aus?

Anfangs zeigte sich Frau Bläsius-Wirth zu einem Gespräch bereit. Sie schlug einen Termin im Rathaus vor, sagte ihn fest zu – und dann doch kurzfristig wieder ab: Das Kellerwegfest stünde bevor, ließ sie über ihre Sekretärin mitteilen, sie müsse sich vorbereiten. Ein neuer Termin? Vorerst nicht in Sicht…

Eine schriftliche Bitte um Stellungnahme schlug ebenfalls fehl: Auf die eingesandten Fragen gab es keine Antworten, nicht mal eine Absage.

Das Feste feiern, so scheint’s, genießt einen hohen Stellenwert im Leben der CDU-Ortsbürgermeisterin. Da müssen Kita-Mitarbeiterinnen schon mal in Unsicherheit leben. Und Journalisten ohne Antworten bleiben.

So wird’s am Ende doch sehr beredt, das Schweigen der Claudia Bläsius-Wirth.

Demnächst aber wird sie reden müssen. Nachdem der erste Prozesstag, es war ein so genannter Gütetermin, keine Einigung gebracht hatte, wurde ein zweiter Termin anberaumt: Kindergärtnerin gegen Ortsbürgermeister – im November geht’s vorm Mainzer Arbeitsgericht weiter.

Politiker & Pressefreiheit: Mit Juristen gegen Journalisten

Wir kämpfen mit unerschrockener Recherche, präzisen Fakten und klugen Gedanken. Unter anderem dafür, dass Kunst und Medien frei sind. Denn da wo man Gedanken nur deshalb die Freiheit nimmt, weil sie einem nicht gefallen, tut man das früher oder später auch mit den Menschen.“

Das schrieb Dr. Mathias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende des Axel-Springer-Verlages und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger, in einem Artikel über Deniz Yücel, jenem Journalisten, der monatelang in der Türkei in U-Haft einsaß, weil er nicht geschrieben hatte, wie die Herrschenden von ihm verlangten.

In Rheinhessen hat man, was die Freiheit der Medien angeht, ganz eigenartige Vorstellungen. Wobei: „Man“ ist natürlich nicht richtig. Zu erleben war der Versuch von Politikern, die Pressefreiheit mit Hilfe willfähriger Juristen auszuhebeln oder zumindest Journalisten mit Drohbriefen einzuschüchtern, bei der Berichterstattung über den „Oppenheim-Skandal“.

Täter im wahrsten Sinne des Wortes: zwei Lokalpolitiker – einer saß früher im rheinland-pfälzischen Landtag, der andere sitzt im Deutschen Bundestag, noch immer.

Marcus Held, der SPD-MdB, hat mehrmals versucht, die Berichterstattung über seine Affären als Oppenheimer Stadtbürgermeister mit gezielten Falschdarstellungen und unwahren Behauptungen zu verhindern. Er schreckte nicht einmal vor persönlichen Diffamierungen zurück. Als auch das nicht den erwünschten Erfolg brachte, schickte er einen Berliner Anwalt vor. Einen mit Professor- und Doktortitel, was wohl Eindruck schinden sollte, sich am Ende aber als Lachnummer erwies:  Der Mann verfasste einen Schriftsatz in derart dumpf-pöbelnder Weise, dass Kollegen von ihm schenkelklopfend mutmaßten, Held habe dem Mann vermutlich etwas zu viel des rheinhessischen Rebensaftes eingeflößt.

In ähnlicher Weise reagierte Thomas Günther: Der war mal CDU-Landtagsabgeordneter in Rheinland-Pfalz, ist heute Stadtbürgermeister im Oppenheimer Nachbar-Städtchen Nierstein. Von ihm heißt es, er sei der festen Überzeugung, dass Lautstärke Argumente ersetzen und wildes Brüllen jeden Kritiker einschüchtern könne. Mag sein, dass dies manchmal funktioniert. In diesem Fall allerdings versendete sich sein Getöse, weshalb auch er einen Anwalt engagierte. Und auch der schrieb einen langen Brief, zwar nicht ganz so pöbelantig wie sein Berliner Kollege, aber ebenso wenig erfolgreich.

Der Hamburger Journalismusforscher Volker Lilienthal hat in einem Interview mit dem Deutschlandfunk gesagt, es sei seit Jahren die Entwicklung zu beobachten, dass über Anwälte versucht werde, Medienberichte abzustrafen oder bereits im Keim zu ersticken. Andere Redaktionen würden davon abgeschreckt, einzelne Journalisten entwickelten eine Schere im Kopf und verzichteten im Zweifel auf bestimmte Behauptungen und Wertungen, um juristischen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen. Die Folge sei: „Bestimmte Kreise – Verantwortliche oder richtige Missetäter – bleiben dann unbehelligt von missliebiger Berichterstattung, sie müssen sich nicht mehr in der Öffentlichkeit rechtfertigen.“

Es steht zu vermuten, dass solche Überlegungen Marcus Held wie auch Thomas Günther leiteten, als sie mit Juristen versuchten, Kritik zu unterdrücken und Journalisten mundtot zu machen.

Marcus Held: Lügen und Juristen pflastern seinen Weg

Im Juni 2017 hatte ich erstmals über den „Oppenheim-Skandal“ berichtet. Anhand von vertraulichen Behördenpapieren und zahlreichen Hinweisen aus der Bevölkerung konnte ich aufdecken, dass der Bundestagsabgeordnete als Stadtbürgermeister zahlreiche dubiose und auch rechtswidrige Geschäfte getätigt hatte – stets zu Lasten der Stadt.

Held schoss zurück: In einem SPD-Stadtmagazin, das er an alle Haushalte verteilen ließ, sprach er von einem „Angriff aus dem Hinterhalt“, von „krimineller Energie“, er schrieb von einem „bezahlten Journalisten“ und einer „parteipolitisch gesteuerten Kampagne“ gegen seine Person.

Das war, wie wir heute wissen, alles unwahr, wir können auch sagen: Es war erfunden und erlogen. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen mehr als 20 Ermittlungsverfahren gegen den SPD-Politiker eingeleitet, Polizeibeamte durchsuchten das Oppenheimer Rathaus, es gab Montags-Demos gegen den SPD-Politiker, und im März 2018 trat er schließlich angesichts immer neuer Vorwürfe und Verdachtsmomente zurück. Als Stadtbürgermeister. Im Bundestag blieb er sitzen, genauer: Er kassiert seit Monaten seine Diäten, aber tut nichts dafür. Er hat sich krank gemeldet.

Vor seinem Rückzug aus allen lokalen Ämtern hatte er versucht, mich mit Hilfe eines Medienrechtlers zum Schweigen zu bringen. Doch der Berliner Jurist, den er engagierte und dem als sicherlich eine gewisse  Erfahrung zuzuschreiben ist, fand offenbar keinen Ansatz für ein Erfolg versprechendes juristisches Vorgehen. Stattdessen schrieb er für Marcus Held  einen Brief, wie ihn kaum ein seriöser Rechtsanwälte jemals geschrieben haben dürften. Es war, das dürfen wir vermuten, eine bezahlte Auftragsarbeit: Held wollte den Brief veröffentlichen – als weiteren Versuch, einen kritischen Journalisten zu verunglimpfen, unglaubwürdig zu machen und klein zu kriegen.

Das Schreiben von Prof. Dr. Jan Hegemann veröffentlichte Held in der nächsten Ausgabe seines SPD-Stadtmagazins. Wir dokumentieren es hier im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Held,

Sie haben mich gebeten zu prüfen, ob wir mit Unterlassungs- ggf. auch Gegendarstellungs- und Richtigstellungsansprüchen gegen den Blogg des Journalisten Thomas Ruhmöller vorgehen können.

Meine Antwort ist: Natürlich können wir das! Ruhmöller verletzt mit seiner Skandalberichterstattung durchgehend die Regeln der journalistischen Sorgfalt und verstößt gegen die Anforderungen an zulässige Verdachtsberichterstattung.

Gleichwohl habe ich erhebliche Bedenken, denn: Wem nutzt das? Ich bin mir ziemlich sicher, dass Ruhmöller für seine Rufmordkampagne von einer hinter ihm stehenden Person bezahlt wird. Es dürfte sich dabei um den Verfasser des anonymen Memorandums handeln, mit dem der angebliche , Oppenheim Skandal“ vor einigen Monaten losgetreten worden ist. Ruhmöller wird sich durch Durchsetzung äußerungsrechtlicher Verbote nicht abschrecken lassen. Kosten, die ihm entstehen, werden ihm höchstwahrscheinlich erstattet. Er selbst und sein mutmaßlicher Auftraggeber warten vermutlich nur darauf, dass der Fall vor Gericht verhandelt wird.

Inzwischen prüfen Landesrechnungshof und Staatsanwaltschaft die gegen Sie erhobenen Vorwürfe. Mit beiden Behörden arbeiten Sie zusammen. Bei diesen Prüfungen sollte man es meines Erachtens im Moment auch belassen und nicht Nebenschauplätze vor Zivilgerichten eröffnen.

Man merkt den Ruhmöller-Elaboraten den wütenden und blinden Verfolgungseifer deutlich an. Ich nehme an, dass die allermeisten Leser – wenn irgendjemand überhaupt lesend durch diese Bleiwüsten wandern will – die Sache schon richtig einordnen: als einseitigen und parteiischen Radaujournalismus.

Mit freundlichen Grüßen

Jan Hegemann Rechtsanwalt

Was soll man dazu sagen? In der Sache war das nicht weiter ernst zu nehmen. Wenn es wirklich eine Rufmordkampagne gegeben hätte, wenn ich wirklich gegen die die journalistische Sorgfaltspflicht verstoßen hätte: Dann hätte Hegemann mich nach allen Regeln der Kunst zerlegt. Unterlassung, Gegendarstellung, Schadensersatz – er hätte die Waffenkammer des Juristen geöffnet, er hätte scharf geschossen – und das wäre, ganz bestimmt, das Aus des Oppenheim-Skandal-Blogs gewesen.

So aber lag der Jurist völlig daneben – auch in einem weiteren Punkt: Der Hegemann-Ausspruch „wenn irgendjemand überhaupt lesend durch die Bleiwüsten wandern will“ sollte vermutlich die journalistische Leistung herabsetzen, als Bleiwüsten, die  keinen interessieren. Welch ein Irrtum! Mit mehr als 350.000 Seitenaufrufen und über eine Million Klicks dürfte der Oppenheimer Lokalblog einer der erfolgreichsten in ganz Deutschland sein, wenn nicht der erfolgreichste.

Juristen-Drohungen gegen Stadtmagazin

Ein Heldsches Medienopfer aber gab es doch! Es war im Frühjahr 2017, als die ersten Vorwürfe gegen den SPD-Politiker bekannt geworden waren: Behördeninterne Papiere, von Whistleblowern an die Öffentlichkeit gebracht, beschuldigten den Bundestagsabgeordneter unsauberer Immobilien-Geschäfte. In „seiner“ Lokalzeitung („Allgemeine Zeitung Mainz“) durfte Marcus Held die Verdächtigungen (die sich später allesamt als wahr herausstellten) vollumfänglich zurückweisen: „Jemand will mich zerstören“ behauptete er einfach, der Zeitung war diese frei erfundene Behauptung eine Überschrift wert.

Das Wormser Stadtmagazin „Wo!“ zeigte sich kritischer, schickte Held einen Fragenkatalog – und bekam wenig später von Held-Anwalt Hegemann per Mail mitgeteilt, „dass Ihre geplante Veröffentlichung mit der Durchsetzung von Unterlassungs-, Gegendarstellungs-, Richtigstellungs- und auch Schadenersatzansprüchen beantwortet werden würde. Dazu sollten wir es nicht kommen lassen“.

Das Magazin verzichtete auf den geplanten Beitrag, verständlich, ist eine juristische Auseinandersetzung in der Regel mit hohen Kosten verbunden. Dass Held mit allen Tricks arbeitete, wurde von „Wo!“-Chefredakteur Frank Fischer später in einem Internet-Blog aufgedeckt:

In der Mittwochsausgabe unseres Mitbewerbers Nibelungenkurier erschien auf der Titelseite ein Artikel des Chefredakteurs Steffen Heumann mit der Überschrift: „Ganz klar eine politische Attacke” – Marcus Held weist Anschuldigungen zurück und kündigt Anzeige gegen den nun enttarnten Anonymus an. Etwas sauer stieß uns dabei folgender Satz auf: „Die unangemessene Art der Berichterstattung ohne die Reflexion der Vorwürfe auf ihren tatsächlichen Wahrheitsgehalt, habe ihn (Marcus Held, die Red.) auch dazu veranlasst, gegen die geplante Berichterstattung in einem Stadtmagazin eine einstweilige Verfügung zu erwirken.“

Das ist so nicht richtig, uns lag nämlich bis dato gar keine einstweilige Verfügung vor. Wie wir auf Nachfrage von Helds Anwalt in Erfahrungen bringen konnten, habe man am Montagmorgen vorsorglich einen Antrag auf einstweilige Verfügung gestellt, der aber kurz danach wieder zurückgezogen wurde, weil sich beide Seiten auf einen gemeinsamen, zeitnahen Termin einigen konnten. Darauf angesprochen, dass er das zum Zeitpunkt des Gespräches am Dienstagmittag mit dem Nibelungenkurier längst hätte wissen müssen, entschuldigte sich Held, dass der Redakteur den Druckstopp wohl falsch interpretiert hätte. 

Thomas Günther: Ein Rechtsanwalt versucht’s mit Aufplusterung

Anderer Ort – anderer Politiker – gleiche Masche: Direkt neben Oppenheim liegt das Städtchen Nierstein, und dort „regiert“ der CDU-Bürgermeister Thomas Günther (der sich in besseren Zeiten , das nur nebenbei, zu gerne Helds Nähe suchte ). Als ich über ihn kritisch berichtete, machte er’s wie Held: Er engagierte einen Anwalt und ließ ihn einen bösen Brief schreiben. Doch außer Spesen nichts gewesen, auch diese Attacke lief ins Leere.

Das war geschehen: Günther hatte der Lokalpresse in den Blog diktiert, er habe chinesische Firmen gefunden, die sich in Nierstein angesiedelt hätten.

Was mich beim Lesen der Zeitungsberichte stutzig machte: Die Firmen wurden unterschiedlich benannt. Kleine Fehler, einzelne Buchstaben waren falsch – kann ja mal passieren. In diesem Fall aber war’s ein Signal: Hier stimmt was nicht. Und tatsächlich ergaben erste Recherchen schnell: Die Firmen waren nicht im Handelsregister eingetragen. Sie existierten mithin nicht. Thomas Günther hatte wohl etwas zu dick aufgetragen.

Kritisches Hinterfragen seiner Worte und Taten ist der Mann offenbar nicht gewohnt. Nach Erscheinen des Berichts „Knall in Nierstein: Wo sind nur die China-Firmen“ beauftragte er umgehend die Kanzlei Gallois mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Der Arbeitsrechtler Oliver Trinkl übernahm und schrieb im Auftrag des Stadtbürgermeisters einen Brief, der hier im Wortlaut dokumentiert werden soll. Auch hier wieder: Etliche Formulierungen sind als Aufplusterung eines Juristen zu werten, der keine rechtliche Handhabe sieht, gegen eine Berichterstattung vorzugehen – eben weil sie korrekt ist. Und so steht auch dieses Schreiben als typisches Beispiel dafür, wie ein Kommunalpolitiker mit Hilfe von Juristen versucht, eine nicht genehme Berichterstattung zu unterdrücken und kritische Journalisten mundtot zu machen:

Sehr geehrter Herr Ruhmöller,

hiermit zeigen wir an, dass wir den Bürgermeister der Stadt Nierstein, Herrn Thomas Günther anwaltlich vertreten. Auf uns lautende Vollmacht ist beigefügt.

In Ihrem Beitrag „Knall in Nierstein: Wo sind nur die China Firmen?“ vom 15.11.2017 äußern Sie auf Ihrer Web-Seite „Der Oppenheim Skandal“ die Vermutung, die Mitteilung von Herrn Günther, chinesische Firmen wollten sich im Rhein-Selz -Park ansiedeln, sei falsch. Die angekündigten Firmen würden nämlich gar nicht existieren. Dies schließen Sie daraus, dass die Firmen im Handelsregister des Amtsgerichts Mainz nicht eingetragen seien. Auf diesem Hintergrund bezweifeln Sie, dass die beiden chinesischen Firmen, von denen Herr Günther in der Öffentlichkeit berichtet hatte, überhaupt gegründet seien. Zur Begründung ihrer Behauptung führen Sie aus, dass nach Beurkundung des Gesellschaftsvertrags bei einem Notar dieser die Anmeldung an das Handelsregister umgehend vornähme. Daher müßte die Anmeldung der beiden Firmen beim Handelsregister des Amtsgerichts Mainz bereits vorliegen.

Damit kommen Sie ihrer journalistischer Sorgfaltspflicht nicht nach. Denn richtig ist, dass ein Notar die Anmeldung an das Handelsregister regelmäßig erst vollzieht, wenn ihm der Nachweis vorliegt, dass das Stammkapital mindestens zur Hälfte auf dem Firmenkonto eingezahlt worden ist. Dazu muss das Bankkonto der Gesellschaft eröffnet sein, was regelmäßig erst nach der Gründung in Form der Beurkundung des Gesellschaftsvertrags möglich ist. Ferner sollte auch Ihnen bekannt sein, dass Überweisungen aus dem außereuropäischen Ausland, insbesondere aus der Volksrepublik China, auf deutsche Bankkonten aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen mitunter etwas Zeit benötigen. Beispielsweise sind die Bestimmungen des Geldwäschegesetzes zu beachten.

Uns liegen sowohl vollständige Kopien der Gründungsurkunden beider Firmen der Notarin Strömer vom 22.09.2017 vor, als auch Belege, wonach das Stammkapital und zwar schon in voller Höhe von je 50.000,00 EUR auf den Bankkonten dieser beiden Firmen in Gründung am 17.11.2017 eingezahlt worden ist. Die Eintragung in das Handelsregister kann und wird also in Kürze vorgenommen werden.

Ihre Unterstellung, die Tatsache, dass bei dem Handelsregister noch nichts darüber bekannt sei, lasse darauf schließen, dass es die Firmen nicht gäbe, ist also grob falsch und irreführend. Richtig ist zwar, dass eine GmbH konstitutiv erst mit Eintragung in das Handelsregister entsteht. Vor der Eintragung gibt es die Gesellschaft jedoch schon im Gründungsstadium, was im Rechtsverkehr mit dem Zusatz „i.Gr.“ in abgekürzter Form bezeichnet wird.

Richtig ist des Weiteren, dass die normale Zeitdauer der Gründung und Registrierung einer deutschen GmbH, deren Gesellschafter chinesische Investoren sind, auch im vorliegenden Fall nicht ungewöhnlich lange gedauert hat, so dass ihre Schlüsse, Herr Günther sage in der Öffentlichkeit die Unwahrheit, wenn er von chinesischen Investoren berichte, schlicht falsch sind.

Ihr Artikel „Knall in Nierstein: Wo sind nur die China Firmen“ erschöpft sich also in einer reißerisch dargebrachten, bloße Vermutung Ihrerseits, die jegliches journalistische Niveau vermissen lässt und offenbar nur dazu dienen soll, Herrn Thomas Günther in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Durch eine sorgfältige Recherche hätte sich das vermeiden lassen.

Da wir davon ausgehen, dass Sie, weil der Vorgang Ihnen an und für sich sehr unangenehm sein müsste, umgehend eine Richtigstellung auf Ihrem Blog im Internet vornehmen, wollen wir momentan davon absehen, eine förmliche Gegendarstellung zu verlangen. Das bleibt aber vorbehalten. Eine Entschuldigung Ihrerseits bei Herrn Günther kann man zwar nicht juristisch durchsetzen, wäre aber wohl angezeigt und ein Gebot des Anstands.

Weitere schlecht recherchierte Tatsachen und Vermutungen tauchen in Ihrem „Wochen-Rückblick: Oppenheim scheint aufgewacht“ auf. So hatte Herr Günther nie behauptet, „alles“, also auch eine Fachhochschule sei „notariell unter Dach und Fach“. Hier war immer nur von Absichten des Investors die Rede, eine solche Fachhochschule zu gründen. Herrn Günther hat es auch nicht „umgehauen“, als er Ihre schlecht recherchierten Artikel über ihn und die angebliche Nichtexistenz chinesischer Investoren zu lesen bekam. Er war zu Recht echauffiert, wie man solche unbegründeten Behauptungen und bloße Vermutungen, die auf unzureichender und lückenhafter Recherche von üblichen Verwaltungsvorgängen resultieren, ins Internet setzen und sich damit, wie Sie das tun, auch noch brüsten kann. An der Versammlung des CDU Verbands Rhein-Selz hat er schlicht wegen einer Erkältung nicht teilgenommen.

Grundstückskaufverträge zwischen Investoren und dem Eigentümer der Grundstücke werden auch nicht der Verbandsgemeinde zum Zwecke der Prüfung, ob ein Vorkaufsrecht existiert, vorgelegt, sondern der Gemeinde oder Stadt selbst, das nur nebenbei.

Sollten Sie wiederholt ehrenrührige Behauptungen über Herrn Günther veröffentlichen, die auf solchen bloßen Vermutungen und unrichtigen Schlussfolgerungen beruhen, sind wir bereits jetzt dazu beauftragt, rechtliche Schritte gegen Sie einzuleiten.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwalt Trinkl

Epilog

Dr. Katharina Barley – sie ist Bundesjustizministerin in Berlin, von der SPD – hat unlängst zum Tag der Pressefreiheit gesagt:

Attacken gegen die freie Presse sind ein Frontalangriff auf die Grundlagen unseres Zusammenlebens in Frieden, Sicherheit und Freiheit. Unsachliche Medienschelte ist dabei oft auch nur die traurige Vorstufe zur Einschüchterung von Medienschaffenden und zu körperlicher Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten, die einfach nur gewissenhaft ihre Arbeit tun. (…) Ohne eine freie und unabhängige Presse kann kein demokratischer Rechtsstaat funktionieren: Alle Bürgerinnen und Bürger müssen die Möglichkeit haben, Politik und Weltgeschehen von Journalistinnen und Journalisten erklärt und eingeordnet zu bekommen. Ihre Berichterstattung ist eine wertvolle Ergänzung und auch ein wichtiges Korrektiv für eigene Beobachtungen und persönliche Ansichten.

Ihre Worte in die Ohren der rheinhessischen Politiker, zuvörderst Marcus Held und Thomas Günther!

Ex-Polizist bekommt 60.000 Euro vom Freistaat

 Der Fall ist entschieden, nach zehn Jahren können die Akten geschlossen werden: 60.000 Euro erhält ein früherer Augsburger Polizeibeamter vom Freistaat Bayern. Es ist die Entschädigung dafür, dass er zu Unrecht der Bestechlichkeit beschuldigt und so lange inhaftiert worden war, bis er seinen Dienst bei der Polizei quittiert hatte.

Der Polizei-Skandal hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt: Manfred D. war lange Jahre Spezialist für Funktechnik beim Mobilen Einsatzkommando in Augsburg gewesen. 2007 wurde er nach monatelangen internen Ermittlungen verhaftet; der Vorwurf: Er habe sich von einem hessischen Unternehmer, der technische Geräte an die bayerische Polizei lieferte, bestechen lassen. Der Staatsanwalt soll damals gesagt haben, Manfred D. komme erst dann wieder aus dem Gefängnis heraus, wenn er den Polizeidienst quittiere. Daraufhin brach der Mann zusammen und unterzeichnete sein Entlassungsgesuch.

In erster Instanz wurde er 2011 wegen Bestechlichkeit vom Amtsgericht Augsburg zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. 2012 aber stellte sich im Berufungsverfahren vor dem Landgericht heraus, dass die Vorgesetzten von Manfred D. in der Augsburger Polizeibehörde entlastende Unterlagen zurückgehalten hatten. Noch am nächsten Tag wurde der Mann umfassend von allen Vorwürfen freigesprochen. Da war es jedoch zu spät: Seinen Job bei der Polizeibehörde war er los.

Deshalb klagte er auf Schadensersatz. In einer Verhandlung vor dem Augsburger Landgericht Anfang Mai dieses Jahres deutete der Richter an, dass er durchaus eine Verletzung der Fürsorgepflicht auf Seiten der Polizeibehörde sehe. Er nannte auch einen Betrag für eine Entschädigung: 100.000 Euro. Die Vertreter des Freistaats kündigten an, dass sie ein solches Urteil nicht akzeptieren und in Berufung gehen würden.

Jetzt der Vergleich: 60.000 Euro bekommt Manfred D., außerdem trägt der Freistaat 60 Prozent der Verfahrenskosten. „Das ist eine nicht nur für Bayern bemerkenswerte Beendigung eines juristischen Verfahrens“, sagte der Anwalt von Manfred D., der Frankfurter Verwaltungsrechtler Harald W. Nolte. Er wertet den Vergleich als „die späte Rehabilitation für einen aus dem Dienst gedrängten Polizeibeamten“.

Manfred D. sagte, die 60.000 Euro seien für ihn nicht nur Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht. „Wichtiger ist für mich, dass vom Gericht eine eindeutige Botschaft an die Polizeibehörde ausging: So behandelt man Menschen einfach nicht.“ Zehn Jahre seien jetzt seit seiner Verhaftung vergangen: „Ich bin einfach nur glücklich, dass alles vorbei ist.

(Aktenzeichen des Vergleichsbeschlusses: Landgericht Augsburg 34 O 4371/15)

Ende eines Polizisten-Traums

Polizeiskandal in Augsburg: Ein MEK-Beamter wird wegen Bestechlichkeit verhaftet und eingesperrt; der Staatsanwalt lässt ihn  wissen, er komme erst wieder frei, wenn er den Polizeidienst quittiere. In seiner Verzweiflung reicht der Mann sein Entlassungsgesuch ein, und tatsächlich wird er später zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Doch dann kommt, durch puren Zufall, heraus: Der Beamte war unschuldig. Die Polizeibehörde hatte Unterlagen, die ihn entlasteten, jahrelang unter Verschluss gehalten. Und nun?
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Der Deal der Geheimagenten

Ein Frankfurter Luxus-Hotel als Schauplatz eines hochkriminellen Deals: Hier verkaufte ein ehemaliger Schweizer Bank-Mitarbeiter für mehr als 100.000 Euro die Kontodaten von tausenden Privatleuten, darunter auch die Finanzunterlagen des früheren Präsidenten des deutschen Geheimdienstes BND. Inzwischen beschäftigt der Fall die Staatsanwaltschaft. Unterlagen, die dieser Zeitung vorliegen, beweisen nicht nur, dass mit vertraulichen Bankdaten offenbar ein schwunghafter Handel betrieben wird. Sie geben zugleich Einblick in die Dunkelwelt privater Geheimagenten, die am Rande der Legalität operieren – vermutlich auch im Dienste großer Geldhäuser.

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Der Anwalt und sein Roter Adam

Als Anwalt hat er Schlachten vor Gericht ausgetragen, die in die Rechtsgeschichte Hessens eingehen werden. Er verhalf vier Steuerfahndern, die mit Falschgutachen für verrückt erklärt und von der Behörde zwangspensioniert worden waren, zu Schadensersatz in insgesamt sechsstelliger Höhe. Mit seiner Hilfe wurde ein Frankfurter Kriminalbeamter, der von der heutigen LKA-Chefin jahrelang mit falschen Anschuldigungen ausgegrenzt worden war, vollständig rehabilitiert, der Mann bekam dazu 8000 Euro Schmerzensgeld. Er erkämpfte für einen Polizeiführer, der bei einer Beförderung vom damaligen Innenminister Bouffier widerrechtlich übergangen worden war, 50.000 Euro…

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Unter falschem Verdacht

Neues Kapitel in der Affäre um einen Kronzeugen des LKA Hessen: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen einen Kriminalbeamten, der dieser Zeitung geheime Infos zugespielt haben soll. Das Telefon des Mannes wurde abgehört, er wurde vom Dienst suspendiert, er musste seine Waffe abgeben, er bekam Hausverbot. Es handelt sich um einen Justizirrtum; der Behörde droht jetzt eine teure Schadenersatzklage.

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