Neues Kapitel in der Affäre um einen Kronzeugen des LKA Hessen: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen einen Kriminalbeamten, der dieser Zeitung geheime Infos zugespielt haben soll. Das Telefon des Mannes wurde abgehört, er wurde vom Dienst suspendiert, er musste seine Waffe abgeben, er bekam Hausverbot. Es handelt sich um einen Justizirrtum; der Behörde droht jetzt eine teure Schadenersatzklage.
100.000 für den Kronzeugen
Der Mann lebt 3000 Kilometer von Frankfurt entfernt, sorgt aber trotzdem immer wieder für Schlagzeilen: Daniell M.-D. war Kronzeuge der hessischen Polizei gegen die Rocker und hatte dann über seine Erlebnisse in dieser Zeitung ausgepackt. Das sorgte für mächtig Ärger, auch für diese Zeitung.
Serie, Teil 5: Ein LKA-Mann in der Falle
Die Festnahme eines LKA-Beamten, der geheime Dienstinterna an kriminelle Rocker verraten haben soll: Das galt bislang als der größte Erfolg der hessischen Polizei über die Frankfurter Hells Angels. Jetzt aber lassen Aussagen eines Kronzeugen sowie neu aufgetauchte Ermittlungsakten den Triumph in ganz anderem Licht erscheinen.
Serie, Teil 4: Der letzte Trumpf des LKA
Er hat mit den Beamten des LKA Hessen zusammengearbeitet, hat sie (…) mit Infos versorgt und als Kronzeuge bei der Vorbereitung der Vereinsverbote gegen die Hells Angels unterstützt. Er hat dafür Geld bekommen, viel Geld – mit Dankbarkeit durfte er da wohl nicht mehr rechnen. Am Ende schoben sie ihn nach Israel ab, mit einem ganz billigen Trick.
Serie, Teil 3: Schlamperei im Amt
Daniell M.-D., der (…) Kronzeuge der hessischen Polizei gegen die Hells Angels, erzählte bisher vor allem über seine Erfahrungen mit dem hessischen Landeskriminalamt. Aber er erhebt auch schwere Vorwurfe gegen die Zeugenschützer aus Mainz: Sie würden durch Nachlässigkeit Zeugen unnötig in zusätzliche Gefahr bringen.
Frankfurt/Mainz. Zeugenschutz ist eine hochsensible Angelegenheit. Menschen, die in Gefahr sind, weil sie zum Beispiel als Zeuge gegen Schwerkriminelle aussagen, wird teilweise sehr weitreichender Schutz geboten. Rechtliche Grundlage dafür ist das Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetz; für die praktische Umsetzung sorgen speziell geschulte Beamte: Sie betreuen die Zeugen rund um die Uhr, verhelfen ihnen bei Bedarf zu einer neuen Identität, besorgen ihnen eine Wohnung, einen neuen Job…
Auch die Zeugenschützer selbst geben sich Tarnnamen – zu ihrem eigenen Schutz, aber vor allem soll das den Zeugen mehr Sicherheit bieten.
Grundsätzlich gilt: Je mehr Details über die Arbeit der Zeugenschützer bekannt werden, desto gefährlicher ist es für die Zeugen.
Soweit die Theorie.
Daniell M.-D., der Kronzeuge der hessischen Polizei gegen die Hells Angels, wurde vom Zeugenschutzdezernat Mainz betreut. Die Abteilung gehört zum LKA Rheinland-Pfalz, sie untersteht Erwin Owtscharenko. Der Kronzeuge aus Hessen erhebt heute schwere Vorwürfe gegen das Dezernat: Die Beamten hätten elementare Regeln der Geheimhaltung missachtet, sie würden damit Zeugen unmittelbar gefährden. Dass sie Dienstwagen für Privatfahrten einsetzten, dass sie am liebsten mittags zu ihm kamen, um die eigene Bewirtung dienstlich absetzen zu können, das sind da nur noch Randnotizen.
Daniell M.-D. sagt, er habe binnen weniger Wochen die Klarnamen mehrerer Zeugenschützer erfahren. „Die haben einfach nicht aufgepasst.“ Schlampige Arbeitsweise hätte vertrauliche Informationen offen zugänglich gemacht.
Da ist zum Beispiel „Melanie Maus“. Das ist ihr Tarnname. Die Polizeibeamtin habe regelmäßig Dienstwagen für Privatfahrten genutzt, sagt Daniell M.-D., und eines Tages, als sie ihn zu einer Vernehmung nach Wiesbaden brachte, erzählte sie, sie sei gerade beim Röntgen gewesen, habe die Aufnahmen hinten im Auto.
Auf der Rückfahrt habe er seine Jacke in den Kofferraum gelegt, dabei die Arztdokumente gesehen: Natürlich stand ihr echter Name darauf. Melanie heißt sie wirklich mit Vornamen, ihren Nachnamen wollen wir hier nicht verraten. Melanie sollte nur wissen: Sie ist enttarnt. Nach der Logik des Zeugenschutzes ist jetzt nicht nur sie selbst gefährdet. In Gefahr sind auch und vor allem die von ihr betreuten Zeugen.
Und dann erzählt Daniell M.-D. eine Geschichte, die so unglaublich klingt, dass kaum denkbar ist, dass er sie ausgedacht haben könnte:
Während seines Irland-Aufenthalts sei er zu einer Vernehmung eingeflogen worden. Am Flughafen Frankfurt-Hahn habe, wie abgesprochen, ein Leihwagen für ihn bereitgestanden. Auf der Fahrt zu seiner Wohnung in Bad Kreuznach habe in dem Auto plötzlich ein Handy geklingelt. „Es lag zwischen den Sitzen. Offenbar hatte es jemand vergessen.“ Er sah nach: Es war das Handy von Chefzeugenschützer Owtscharenko.
Daniell M.-D. weiter: „Da waren alle Daten drin: Adressen und Telefonnummern von Zeugenschützern, von Polizeibeamten – und auch von gefährdeten Zeugen.“ Er habe sich die Daten kopiert, „sicherheitshalber“, sagt er, man wisse ja nie, wozu man die brauchen könne. Dann habe er Owtscharenko angerufen. Der sei sofort gekommen, habe sich das Telefon abgeholt.
Erwin Owtscharenko nennt sich im Dienst – auch das ist jetzt kein Geheimnis mehr – „Wilhelm Baumann“ oder „Ferdinand Berger“. Unter diesen Tarnnamen, sagt Daniell M.-D., habe ihm der Chefzeugenschützer regelmäßig Geld überwiesen. Die Namen hätten auf den Bankbelegen gestanden.
Im übrigen sei seine Post – wie auch die des ganzen Dezernates – unter den Namen „Baumann“ und „Berger“ abgewickelt worden. Dafür habe das Dezernat geheime Brief kästen eingerichtet – unter der Adresse, auf der auch seine Tarnpersonalien angemeldet wurden.
Eine Überprüfung dieser Angaben ergab: Daniell M.-D. sagt die Wahrheit. Dokumente, die dieser Zeitung vorliegen, verraten die Namen der Zeugenschützer. Und wir finden auch, im Mehrfamilienhaus an der Sophie-Cahn-Straße 3 in Mainz, die geheimen Briefkästen der Zeugenschützer. Einer ist mit „Wilhelm Baumann“ ausgeschildert, der benachbarte mit „Ferdinand Berger“. Dabei leben diese Herrschaften offensichtlich nicht in dem Haus. Wer genauer hinschaut, sieht sofort: Die Namen Baumann und Berger fehlen auf den Klingelschildern. Das wurde von den Zeugenschützern wohl vergessen…
Dagmar Meyer, Sprecherin des LKA Mainz, versuchte gestern, die Aussagen des Kronzeugen herunterzuspielen. Es sei bekannt, dass sich die Zeugenschützerin „Melanie“ selbst enttarnt habe, das sei „Anlass für eine interne Nachbereitung“ gewesen. Eine Gefährdung für die Beamtin werde nicht gesehen, auch nicht für andere Schutzpersonen.
Die Sache mit dem verlorenen Handy war offenbar noch nicht bekannt. Alle Handys seien PIN-gesichert, sagt Meyer. Hätte ein Zeuge darauf Zugriff, „würde das keine Sicherheitslücken nach sich ziehen“. Es sei auch „nicht erinnerlich“, dass ein Handy längere Zeit in den Händen des Zeugen gewesen sei.
Erschienen in der FNP am 07.02.2013
Serie, Teil 2: Der Kronzeuge packt aus
Der Kronzeuge gegen die Hells Angels erzählt (…) Heute: Wie er zum Kronzeugen der Anklage aufstieg. Und sogar das Gericht belog – mit Hilfe der Ermittler vom LKA.
Serie, Teil 1: Ich, der Kronzeuge
Nahezu drei Jahre war er spurlos verschwunden: Der Frankfurter Dachdecker Daniell M.-D. hat als Kronzeuge des hessischen Landeskriminalamtes mit seinen Aussagen maßgeblich zu den Vereinsverboten gegen die Hells Angels beigetragen. Jetzt meldete er sich bei dieser Zeitung – aus Israel. Und redet erstmals. Auf die Polizei ist er gar nicht mehr gut zu sprechen.
Die Kripo sucht das Leck
Aufregung bei der Polizei: Gleich drei Behörden nahmen gestern Stellung zu den Berichten dieser Zeitung über den Kronzeugen der Polizei gegen die Hells Angels. Zumindest inhaltlich gab‘s kaum was zu mäkeln.
Wiesbaden/Mainz/Frankfurt. Die Situation ist nun doch ein wenig verworren: Da bittet im Mai 2010, das Schreiben liegt dieser Zeitung vor, die hessische LKA-Präsidentin Sabine Thurau ihren Kollegen in Rheinland-Pfalz, den Kronzeugen gegen die Hells Angels in das Zeugenschutzprogramm aufzunehmen. Daniell M.-D. wird daraufhin in eine neue Wohnung in Bad Kreuznach einquartiert. Er bekommt, wie es das Zeugenschutzgesetz vorsieht, einen neuen Namen („Daniel Messer“), dazu passende Papiere, er wird unter neuem Namen bei der Führerscheinstelle, beim Arbeitsamt und bei der AOK angemeldet, er wird von Mainzer Zeugenschützern betreut…
Ein Zeuge namens Messer
Der Kronzeuge gegen die Frankfurter Hells Angels hat offenbar versucht, die Kripo zu erpressen: Er verlangte ein neues Versteck im Ausland und bevorzugte Behandlung – andernfalls werde er sein Wissen über geheime Polizeiaktionen preisgeben. Dokumente, die dieser Zeitung vorliegen, belegen: Kripobeamte haben tatsächlich massiv gegen Vorschriften und Gesetze verstoßen. Einblicke in eine Polizei-Affäre, die von den Behörden bis heute unter Verschluss gehalten wird.
Der Informant und seine Polizistin
Die Affäre um den Rocker-Informanten des Landeskriminalamts wird immer bizarrer: Der Mann ist, wie diese Zeitung letztens enthüllt hatte, ein notorischer Betrüger, der mit mehreren Haftbefehlen gesucht wird. Er hat sogar die Hells-Angels-Ermittler belogen – und wird trotzdem als Kronzeuge versteckt. Wirklich nur zu seinem Schutz? Oder gibt es etwas zu verbergen? Neue Dokumente belegen: Der Mann hat seine kriminellen Geschäfte nicht allein betrieben. Eine Frau stand ihm bei. Sie ist Kriminalbeamtin in Frankfurt.